Von einer breiten Medienöffentlichkeit zu wenig gewürdigt, wurde das oft gehörte Vorurteil, wonach unsere Politiker nicht lernbereit wären, in der Vorwoche erstmalig widerlegt. Und zwar an einem Ort, wie er sich für einen Beginn gehört, nämlich in Linz. Dort hielt im Rahmen einer FPÖ-Klubklausur ein ehemaliger Staatsanwalt auf Geheiß Herbert Kickls für das versammelte Führungspersonal der Partei eine Schulung zum Thema "Richtiges Verhalten bei Hausdurchsuchungen".

Dass Kickl selbst dabei nicht von persönlichen Erfahrungen berichten konnte, gehört angesichts der Vorkommnisse um seine ehemalige Agentur Ideenschmiede zu den unerklärlichsten Phänomenen der jüngeren Justizgeschichte unseres Landes.

Höchste Zeit, alle Chats zu löschen und alle Papiere zu vernichten, die unangenehme Sachverhalte ans Tageslicht bringen könnten.
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Weder die in schriftlichen Verträgen dokumentierte Bereitschaft zur Korruption seitens der Agentur noch die Aussagen ehemaliger Mitarbeiter über Schwarz- und Schmiergeldtransporte an die Wiener Parteizentrale sorgten dafür, dass Kickl Besuch der Behörden erhielt. Ob das mit seiner damaligen Regierungsfunktion und dem zu dieser Zeit noch reibungslos funktionierenden "System Pilnacek" zu tun hatte, werden vielleicht künftige Aufarbeitungen dieses Justizkapitels ergeben.

Das Ausmaß der Verunsicherung, die der derzeitige suspendierungsbedingte Ausfall des "Systems Pilnacek" bei der ÖVP auslöst, überrascht dann aber auch abgebrühte Beobachter. Die Partei hat deshalb nun sogar eine neue Form der Mitarbeiterkommunikation entwickelt.

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"Reisswolf"-Gutscheine

Diese wurde bei einer Pressekonferenz von Vizegeneralsekretärin Gabriela Schwarz präsentiert, die dort Parteimitarbeitern notdürftig verklausuliert mitteilte, dass es jetzt aber wirklich höchste Zeit sei, alle Chats zu löschen und alle Papiere zu vernichten, die im Falle ihrer Sicherstellung durch Ermittlungsbehörden unangenehme Sachverhalte ans Tageslicht bringen könnten. Logischer nächster Schritt wären "Reisswolf"-Gutscheine – zumindest für alle Mitarbeiter aus dem Umfeld des Kanzlers – mit dem Vermerk: "Diesmal bitte keine leicht enttarnbaren Fantasienamen angeben und Rechnung auch bezahlen, Betrag wird verlässlich refundiert!"

Die dadurch entstehenden Kosten müssten die Türkisen nicht beunruhigen. Das Landwirtschaftsministerium hat unlängst 22 Lizenzen für ein Verschlüsselungsprogramm für Chats und Telefonate erworben, und im Kanzleramt bekam die IT-Abteilung den Auftrag herauszufinden, wie sämtliche E-Mails und Kalendereinträge aller Mitarbeiter nach einem Jahr automatisch gelöscht werden können. Bezahlt werden diese Maßnahmen natürlich von uns allen.

Die ebenfalls von Frau Schwarz überbrachte Kunde, wonach bei künftigen ÖVP-Hausdurchsuchungen nichts mehr zu finden sei, weil "nichts mehr da ist", erinnert an einen Cannabis-Züchter, der die Polizei wissen lässt: "Alles abgeerntet!"

Als Botschaft an die Korruptionsstaatsanwaltschaft wirkte die Pressekonferenz wie der Versuch eines Tormanns, den Elfmeterschützen durch Zurufe und Herumgezappel aus der Ruhe zu bringen. Gestern hat sich meine – nicht nur als Fußballfan getätigte – Vermutung bestätigt: Das bringt nichts, der Elfer geht unhaltbar rein und das Spiel in die Verlängerung.(Florian Scheuba, 6.10.2021)