Georg Rinnerthaler bei seiner Verhaftung am 12. März 1938 in Neumarkt.

Foto: Museum Fronfeste

Bernhard Gwiggner ist mit seinem Protest "Gegensetzung" gegen den Salzburger Thorak-Kult bekannt geworden.

Foto: Thomas Neuhold

Als der Gastwirt und Fleischhauer Georg Rinnerthaler und sein Sohn im März 1939 nach einjähriger Haft aus dem KZ Dachau in ihre Heimatgemeinde Neumarkt am Wallersee zurückkehrten, waren die beiden Männer alles andere als willkommen. Umgehend marschierten die lokalen Nazi-Schlägertrupps auf und schlugen 51 Fenster von Rinnerthalers Haus ein.

Dieses Detail aus Rinnerthalers Biografie stellt der in Salzburg lebende bildende Künstler Bernhard Gwiggner in den Mittelpunkt einer temporären Kunstaktion im Flachgauer Neumarkt. Mit dieser soll die Geschichte des widerständigen Gastwirtes wieder ins Bewusstsein der Neumarkter geholt werden.

Kunstprojekt "Einwurf"

Das Kunstprojekt Einwurf von Gwiggner ist der erste Teil eines auf sechs Jahre angelegten Gedenkprojektes, mit dem jeweils ein Jahr lang in einem der sechs Salzburger Bezirke an den Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft erinnert werden wird. Gwiggners aktionistische Idee ist das Siegerprojekt eines Wettbewerbs, zu dem acht Künstler und Künstlerinnen geladen waren.

Mit Gwiggner startet das Projekt Orte des Gedenkens mit einem Künstler, der sich wiederholt mit der NS-Geschichte in Salzburg beschäftigt hat. So hat er sich mit einer Installation in Strobl am Wolfgangsee kritisch mit der dortigen Heldenverehrung am Kriegerdenkmal auseinandergesetzt. Vielen ist auch seine temporäre Skulptur Gegensetzung im Kurpark der Stadt Salzburg in Erinnerung. Gwiggner thematisierte den Thorak-Kult in Salzburg mit einer an Fritz Wotruba erinnernden Skulptur aus Styropor bei der Paracelsus-Statue des Nazi-Bildhauers Josef Thorak.

51 Fenster

Gwiggners Konzept für Neumarkt sieht vor, dass in 51 Aktionen extra angefertigte Fenster mit Steinen eingeworfen werden, wobei die Teilnehmer sowohl die Rolle der Täter wie auch jene der Opfer – also vor oder hinter der Fensterscheibe stehend – einnehmen können. Die bei den Aktionen entstehenden Scherben werden dann auf Folien quasi "konserviert", mit historischen Fotos von Rinnerthalers Verhaftung überblendet und an verschiedenen Stellen in Neumarkt ausgestellt. Start ist im Mai des kommenden Jahres.

Glasscherben

Im Vordergrund sei für ihn die "partizipative Idee" gestanden, sagt Gwiggner im STANDARD-Gespräch. Mögliche Assoziationen durch die eingeschlagenen Fenster zu den Novemberpogromen 1938 könnten aber auch entstehen.

Während die Lokalpolitik, allen voran Bürgermeister Adolf Rieger (ÖVP), die Kunstaktion vorbehaltlos unterstützt, wurde zuletzt in Salzburger Historikerkreisen auch leise Kritik an der Auswahl der Person Rinnerthaler laut. Sein Konflikt mit den Nazis habe mehr ökonomische Ursachen gehabt, echten Widerstand habe der den Austrofaschisten nahestehende Wirt nicht geleistet, heißt es.

Dass Rinnerthaler weder links noch besonders katholisch gewesen sei, räumen auch die Proponenten der Orte des Gedenkens ein. Aber er sei einer jener gewesen, die überzeugt waren, dass die NS-Ideologie nichts Gutes sei, sagt der Zeithistoriker Robert Obermair.

Obermair leitet gemeinsam mit dem Geschichtswissenschafter Albert Lichtblau und der Kunsthistorikerin Hildegard Fraueneder das mehrjährige Gedenkprojekt. (Thomas Neuhold, 7.10.2021)