Beim Betreten der WU Wien – hier im Bild noch vor der Pandemie – gilt die 2,5G-Regel. An der WU werden die Hörsäle wieder gefüllt, doch jede Uni definiert andere Vorgaben. Viele schreiben Mindestabstände vor, sodass die Räume nur zur Hälfte belegt werden können

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Die junge Frau, die mit blauer Überweste am Eingang postiert ist, nimmt es genau: "Darf ich dazu bitte auch den Identitätsnachweis sehen?" Während in manchen Restaurants schon der Versuch, den Impfpass aus der Tasche zu ziehen, mit beschwichtigend-kumpelhafter Geste – "Passt schon, ich glaub’s Ihnen eh" – vereitelt wird, reicht dieser allein für die Uni-Kontrolleure nicht. Wie ein Streifzug durch verschiedene Unis zum Semesterstart zeigt, wird weithin penibel kontrolliert, ob der 3G-Nachweis auch mit der Identität des Eintretenden zusammenpasst.

Für die ganztägigen 3G-Kontrollen, deren Aufwand mit der Zahl der Gebäude – und damit Türen – steigt, haben die Unis zusätzliches Personal engagiert, darunter auch Studierende. Die Universitätenkonferenz beklagt jedoch, dass die Unis dafür von der Regierung kein Geld bekommen und in die eigene Börse greifen müssen.Das ÖVP-geführte Bildungsministerium entgegnet, die Unis hätten genug Mittel aus diversen Töpfen, um die Kontrollen zu stemmen. Das Gezerre zeigt jedenfalls, dass auch im vierten Corona-Semester die Pandemie und ihre administrativen Nebenwirkungen den universitären Diskurs überschatten.

Start vielerorts mit leeren Sitzplänen

Dabei gab es vergangene Woche gute Nachrichten zu vermelden: Schon Ende August waren laut Erhebung der Statistik Austria 79 Prozent der Studierenden doppelt geimpft, mittlerweile dürfte die Quote sogar noch höher sein. Die Impfbereitschaft liegt damit weit über dem Schnitt der Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen, in der sich bloß 56 Prozent impfen ließen.

Daraufhin wurde, etwa von den Neos, die Forderung laut, dass ob der hohen Impfquote alle Abstandsregeln in den Hörsälen fallen sollten. Derzeit schreiben die meisten Unis – im Unterschied zu fast allen anderen Gesellschaftsbereichen, aus denen sich der Babyelefant im Frühsommer verabschiedete – im Rahmen ihrer Autonomie noch den Ein-Meter-Mindestabstand vor.

Das bedeutet also: Sitzplätze müssen freigelassen werden, die Räume können höchstens halb befüllt werden. Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb viele Lehrveranstaltungen weiterhin digital abgehalten werden müssen. Das liegt auch daran, dass der Plan fürs Wintersemester inklusive Entscheidung über Präsenz- und Digitalformate von den Unis freilich schon in den Wochen vor der Präsentation der Impfzahlen am letzten Ferientag festgelegt wurde.

Umplanen schwierig

Eine Lockerung der Abstandsregeln hätte zum jetzigen Zeitpunkt ohnedies kaum mehr Einfluss auf den Präsenzanteil im eingetakteten Wintersemester, erzählen Uni-Verantwortliche dem STANDARD: Man könne nicht zehntausende Kurstermine nach Abschluss der Anmeldephase im laufenden Semester umstellen. Auch Bildungsminister Heinz Faßmann räumt auf Nachfrage ein, dass er die Datengrundlage bereits im Februar herbeigesehnt habe, doch das "bürokratisierte Österreich" habe dies verunmöglicht.

Doch es gibt auch noch andere Unwägbarkeiten, die den Präsenzbetrieb in den kommenden Wochen und Monaten erschweren dürften: offene Fragen zur Quarantäne. Die Schulen machten im September durch massenweise gesperrte Klassen nach Infektionsfällen von sich reden, sodass letztlich trotz geballter virologischer Kritik die Quarantäneverpflichtung auf die Sitznachbarn beschränkt wurde.

Quarantäneregeln nicht so locker wie an Schulen

An den Unis gelten diese lockeren Quarantäneregeln aber nicht. Hinzu kommt, dass sich Studierende – im Unterschied zu den in gleichbleibender Sitzordnung platzierten Schülern – an einem Tag durch verschiedene Lehrveranstaltungen mit verschiedenen Teilnehmergruppen bewegen: ein potenzieller Turbo für die Verbreitung des Virus.

Noch ist aber völlig unklar, in welchem Ausmaß Studierende als Kontaktpersonen nach einem Corona-Fall im Hörsaal zu Hause bleiben müssen. DER STANDARD fragte das Bildungsministerium anhand eines Beispiels: Was passiert, wenn ein Student am Donnerstag drei Seminare mit je 25 Leuten besucht und am Freitag positiv getestet wird? Wer muss dann alles in Quarantäne?

Tagebücher sollen helfen

Das Bildungsressort leitete die Anfrage sogleich ans Gesundheitsministerium weiter, zumal die Gesundheitsbehörden für die konkreten Maßnahmen zur Einstufung von Kontaktpersonen zuständig sind. Die Auskunft: Die Behörden würden anhand der sonst auch üblichen Kriterien die Entscheidung im Einzelfall treffen und dabei etwa die Angaben des Infizierten und die jeweiligen epidemiologische Umstände beachten.

Dazu gehört auch die Information: Wer saß wann wo? Dies durch das universitäre Contact-Tracing festzustellen dürfte nicht einfach werden. Um ein Chaos samt überschießender Einstufung von Kontaktpersonen anhand der reinen Teilnehmerlisten zu vermeiden, hoffen die Unis auf bürokratische Anwandlungen der Studierenden: An der Uni Klagenfurt sollen sie QR-Codes an ihrem Sessel scannen, an der Uni Wien ein Sitzplatztagebuch führen.

Uni Wien: Bisher keine K1-Einstufungen

Das habe nach den drei Corona-Fällen, die es seit dem Semesterstart gab, bei der zielgerichteten Information der Studierenden geholfen, heißt es von der Uni Wien auf Anfrage. In Quarantäne mussten die Kontaktpersonen aus den betroffenen Kursen aber nicht: Die Studierenden seien von der Behörde bloß aufgerufen worden, ihren Gesundheitszustand zu beobachten und einen PCR-Test zu machen. So wie es bei K2-Kontakten gehandhabt wird. Dass abgesehen von den Infizierten niemand zu Hause bleiben muss, sieht die Uni Wien als Bestätigung ihrer vergleichsweise strengen Corona-Regeln. So könne man Präsenzformate selbst bei Infektionen das ganze Semester durchziehen, ohne Kurse entfallen zu lassen. (Theo Anders, Selina Thaler, 7.10 2021)