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Soldaten aus Europa patrouillieren im Sommer gemeinsam mit malischen Militärs an der Grenze zum Niger.

Foto: Reuters/Stefan Brändle aus Paris

Undiplomatisch ausgedrückt: Es ist Feuer im Dach. Der 28. Afrika-Frankreich-Gipfel in Montpellier wäre an sich Gelegenheit, ein paar Unstimmigkeiten über das Mittelmeer hinweg auszuräumen. Der Haussegen hängt allerdings so schief, dass der französische Präsident Emmanuel Macron erstmals darauf verzichten musste, die frankophonen Staatschefs Afrikas zu empfangen. Damit die Jahrestagung überhaupt stattfinden kann, hat Macron nun ersatzweise Unternehmer, Entwicklungshelfer, Künstler und Sportler eingeladen.

Viele Afrikaner lehnen das Traditionstreffen wegen seines "postkolonialen" Beigeschmacks ohnehin ab. Vor allem aber herrscht derzeit offener Streit zwischen Paris und mehreren Sahel- und Sahara-Anrainern. Die malische Staatsführung, im August 2020 durch einen Putsch an die Macht gekommen, hat diese Woche ihren Botschafter aus Paris zurückgerufen. Sie protestiert damit unter anderem gegen die Behauptung Macrons, ohne die französische Daueroperation Barkhane gegen die Jihad-Kommandos "gäbe es gar keine malische Regierung mehr".

Der Frust der Franzosen ist ebenso groß. Sie haben das Gefühl, dass sich ihre 5.000 Soldaten im Sahelgebiet seit Jahren aufopfern – kürzlich ist der 52. Elitesoldat im Wüstenkampf gefallen – dafür aber noch verraten werden. Das fragile Regime in der malischen Hauptstadt Bamako setzt immer offener auf andere Schutzmächte. Vor allem Russland setzt sich zunehmend in der einst französischen Einflusszone fest und stellt zum Beispiel die Präsidentengarde der Zentralafrikanischen Republik. In Bamako laufen seit längerem Verhandlungen mit der russischen Söldnertruppe Wagner. Präsident Wladimir Putin tut, als gehe ihn das Engagement der Privatarmee nichts an; zugleich hat er aber letzte Woche Hubschrauber und Waffen nach Mali geliefert.

"Frankreich raus!"

Putin springt gerne in die Bresche, die Frankreich in Mali zu hinterlassen droht. Macron hatte im Juni nämlich erklärt, er werde den Barkhane-Bestand bis 2023 von 5.000 auf 2.500 bis 3.000 halbieren. Das könnte Nordmali und wohl auch Bamako den vordringenden Jihadisten ans Messer liefern. Umso herzlicher begrüßt der malische Putschoberst Assimi Goïta die Russen. Als Verteidigungsminister Sadio Camara die Hubschrauber aus Moskau in Empfang nahm, bezeichnete er Russland überschwänglich als "Freundesland" (pays ami).

Zu Frankreich ist die malische Beziehung hingegen völlig zerrüttet. Auf Demonstrationen in Bamako skandieren Malier "France dehors" – Frankreich raus. Viele werfen den französischen Elitesoldaten und Fremdenlegionären vor, sie sicherten nicht zuletzt die Rohstoffvorkommen im Norden (Uran, Gold). Deshalb untersagten sie den malischen Soldaten auch den Zutritt zu malischen Wüstenstädten wie Kidal.

Ärger in Algerien

Koloniale Reflexe lasten auch auf dem franko-algerischen Verhältnis. In der Sahara selber gegen Jihadisten engagiert, sind die Algerier erbost, dass Frankreich die Visazahl für algerische Studenten kürzlich halbiert hat. Die zweifellos wahlpolitisch motivierte Ankündigung Macrons hat bewirkt, dass Algier seinen Botschafter ebenfalls aus Paris zurückgerufen hat. Außerdem untersagt das flächenmäßig größte Land Afrikas französischen Militärflugzeugen nun den Überflug, was die Barkhane-Operation beeinträchtigt.

Macron gießt mit unbedachten Äußerungen selber Öl ins Feuer und gibt sich dann wieder versöhnlich. Die franko-afrikanische Webseite "Mondafrique" wirft dem Präsidenten eine Mischung aus "Amateurismus und Arroganz" vor.

Deutschland denkt über Rückzug nach

Die europäischen Partner Frankreichs in Mali, darunter namentlich Deutschland, machen sich ernsthaft Sorgen um die Zukunft des Sahel-Schlüsselstaats in Sachen regionale Terrorbekämpfung. In Berlin stellt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer "Konsequenzen" in Aussicht, falls Bamako russische Söldner anheuere. Das kann nur bedeuten, dass die 1.200 deutschen Soldaten – die nicht in der Kampfzone operieren, sondern an Ausbildungs- und Uno-Missionen teilnehmen – zurückberufen oder abgebaut würden. Im Wahlkampf bestand diesbezüglich von den Grünen bis zur CDU Konsens.

Umgesetzt ist aber noch nichts. Auch Frankreich hat mit dem Abbau von Barkhane noch nicht begonnen. Denn letztlich stehen die Europäer vor einem unauflösbaren Dilemma: Ziehen sie sich ganz oder teilweise aus Mali zurück, würde die Lage dort wohl vollends außer Kontrolle geraten, was den Terror- sowie Migrationsdruck erhöhen müsste. Die unzimperlichen Wagner-Söldner nähmen sich des gebeutelten Landes gerne an.

In der diplomatisch wie militärisch gespannten Situation hängt deshalb vieles vom Putschregime in Bamako ab: Benutzt es die russische Karte schlussendlich nur, um Druck auf die Westmächte auszuüben? Oder werden nach den russischen Waffen wirklich bald russische Soldaten in Mali für Ordnung sorgen? Letzteres wäre für die Franzosen, die seit 2013 die Jihad-Gefahr von Mali ferngehalten haben, eine bittere Pille. Und auch für die malische Zivilbevölkerung, die schon schwer unter Terrorismus, Klimawandel und Armut leidet. (Stefan Brändle aus Paris, 7.10.2021)