Der Fan setzt sich eine Mütze auf und singt: "Die Färöer gaben Österreich einen Walzer, den hörte man von Wien bis Mikladalur."

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In diesem Moment sitzt der beste Kollege von allen im norwegischen Bergen. Sein Flugzeug konnte am Donnerstag aufgrund widriger Wetterverhältnisse nicht auf den Färöern landen. Christian Hackl ist ausnahmsweise wehrlos, deshalb sei er hier und jetzt kurz erwähnt. Es war am 11. September 1990, und es war in Landskrona in Schweden, als Herr Hackl eine seiner legendären Fragen stellte: "Was passiert, wenn wir hier verlieren?" Die Frage war an Josef Hickersberger gerichtet, der darob wie auch alle anderen im Raum einigermaßen fassungslos war. Verlieren? Hier?

Am nächsten Tag, am 12. September 1990, sollte Österreichs Fußball-Nationalmannschaft gegen die Färöer antreten, die im Zuge der Qualifikation für die EM 1992 ihr allererstes Bewerbsspiel bestritten. Die Fifa hatte die Färöer 1988 als Mitglied aufgenommen, die Uefa folgte 1990. Hackl war ein relativ junger Sportjournalist einer ganz jungen Zeitung, eben dieser Zeitung, die nicht einmal zwei Jahre zuvor erstmals erschienen war und schon wenig später nicht mehr ohne Sportberichterstattung auskommen konnte, geschweige denn wollte. Hickersberger war ÖFB-Teamchef, Anfang 1988 war er angetreten, und 1990 hatte er das Team zur Fußball-WM in Italien geführt.

Hymne mit Walzer

Am 14. September 1990 ist Hickersberger als Teamchef zurückgetreten. Österreich, das ist bekannt, hatte in Landskrona gegen die Färöer mit 0:1 verloren. Torkil Nielsen erzielte in der 62. Minute das einzige Tor der Partie, der 1265 Zuseher und eine Zipfelmütze beiwohnten, jene des Tormanns Jens Martin Knudsen. Die Mütze ist seither fast noch legendärer als die am Tag vor dem Spiel gestellte Journalistenfrage.

"Die Färöer gaben Österreich einen Walzer, den hörte man von Wien bis Mikladalur." So beginnt eine Hymne der Färinger auf das denkwürdige Spiel. Diese Hymne erklingt bei jedem Länderspiel, sie gipfelt im Refrain: "Die Flagge rot und blau und weiß, weht frei um die weite Welt. Die Berge und das Volk, stolz stehen sie da, David stürzte Goliath, David stürzte Goliath. Vorwärts, vorwärts Färöer!" Auch am Samstag wird gesungen, wenn Österreich diesmal tatsächlich auf den Färöern, nämlich in der Hauptstadt Torshavn, antritt. Der ÖFB-Abflug am Donnerstag indes hat sich wegen Schlechtwetters auf den Färöern zunächst verschoben.

Österreich liegt in der WM-Quali-Gruppe F nach sechs Spieltagen mit sieben Punkten an vierter Stelle, die Färöer folgen mit vier Zählern auf Rang fünf. Sie haben zuletzt die Republik Moldau, der sie schon auswärts ein Remis abtrotzten, daheim 2:1 geschlagen – an jenem Tag, an dem Österreich daheim 0:1 gegen Schottland verlor. Kurz zuvor waren die Färöer daheim gegen Dänemark knapp an einer Sensation dran, den Gästen gelang das Tor zum 1:0-Erfolg erst in der 85. Minute.

Eine zweite Blamage

Österreich ist gewarnt. Wegen der jüngsten Ergebnisse – und wegen der Geschichte, die sich ja längst nicht mehr nur auf Landskrona beschränkt. Am 11. Oktober 2008 kam das ÖFB-Team in der WM-Qualifikation in Torshavn über ein 1:1 nicht hinaus, diese Blamage war der Anfang vom Ende der Teamchef-Ära Karel Brückner. In den restlichen fünf Duellen feierte Österreich relativ klare Erfolge. Zuletzt gab es am 28. März in Wien in der WM-Qualifikation nach einem 0:1-Rückstand einen 3:1-Heimsieg.

Nun sind die Österreicher nicht mehr, was sie vor wenigen Monaten noch waren. Und die Färöer haben sich sowieso gewandelt. Mittlerweile stehen nicht nur der eine Sieg und das eine Remis gegen Österreich zu Buche, sondern auch zwei Siege über Griechenland sowie Unentschieden gegen Schottland, Ungarn, Slowenien und Bosnien-Herzegowina. Anders als 1990, da in Landskrona ausschließlich Amateure gegen Österreich antraten, stehen aktuell gut zehn Profis im Färöer-Kader. Die meisten von ihnen sind in Skandinavien tätig, einer stürmt für den österreichischen Zweitligisten SKU Amstetten.

Dieser eine, John Frederiksen, hat kürzlich gesagt: "Wer einmal Geschichte schreibt, kann auch ein zweites Mal Geschichte schreiben." Frederiksens Gesprächspartner war ein nicht mehr ganz so junger Sportjournalist einer auch nicht mehr ganz so jungen Zeitung. Erraten, der beste Kollege von allen. (Fritz Neumann, 7.10.2021)