Dreieinhalb Jahre wurde der klassizistische Bau generalsaniert und modernisiert. Die Kunstsammlungen der Akademie sind endlich wieder unter einem Dach vereint.
Foto: Helmut Wimmer

Sie ist zurückgekehrt. Nach dreieinhalbjähriger Generalsanierung konnte die Akademie der bildenden Künste über den Sommer wieder in ihr Hauptgebäude am Schillerplatz ziehen. Um rund 70 Millionen Euro renovierte die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) das klassizistische Gebäude von Theophil Hansen unweit der Secession, das ab Freitagabend wieder seine Pforten öffnen darf. Mit einem Eröffnungsauftakt am Wochenende und gleich vier Ausstellungen (Open House bei gratis Eintritt) soll das zelebriert werden.

Bei der Pressekonferenz in der Aula der Universität unter dem schweren Deckengemälde von Anselm Feuerbach sprach Rektor Johan F. Hartle von einer neuen Ära, die nun eingeleitet würde. Und stellte Sabine Folie vor, die ab 2022 Direktorin der drei Kunstsammlungen (Gemäldegalerie, Kupferstichkabinett und Glyptothek) sein wird. Ausschlaggebend dafür sei auch ihr Interesse gewesen, historische Werke mit zeitgenössischen in Dialog zu setzen – und so Vergangenes aus gegenwärtiger Perspektive zu betrachten.

Genau diese Idee einer neuen Betrachtung liegt auch den vier Ausstellungen zugrunde, wobei sich diese der historischen Sammlungen sowie zeitgenössischen Schaffens bedienen. Anders aber als bei den kleineren Präsentationen (Exhibit Galerie, Exhibit Studio und Exhibit Eschenbachgasse) wurde die große Eröffnungsausstellung Hungry for Time aus einer externen Perspektive erarbeitet.

Zurück in die Zukunft

Dafür lud man das aus Neu-Delhi stammende Kollektiv Raqs Media Collective ein, das kuratorisch und künstlerisch international tätig ist. In der Gemäldegalerie mischen die drei Mitglieder Werke aus den Sammlungen der Akademie mit neuen Positionen.

Auf einer Reise durch 500 Jahre Kunst lädt die Gruppe zu "epistemischem Ungehorsam" ein: Die Ordnung soll gegen den Strich gelesen und auf eine alternative Weise präsentiert werden. Als ältestes Werk gilt ein Temperabild aus dem 15. Jahrhundert, das ein Wunder des heiligen Nikolaus abbildet. Das jüngste ist drei Tage alt und wurde extra in Auftrag gegeben: Ein Video von Discursive Justice Ensemble dokumentiert den Umzug der Gemäldegalerie aus der Zwischenstation im Theatermuseum zurück in die Akademie.

Immer wieder wird das Museum als solches untersucht: Werke erhalten alternative Titel, Symbole kehren wieder, zeitliche und räumliche Grenzen werden ignoriert. So hängt ein pompöses Schlachtenbild von Jacques Courtois bei einem Reiter Albrecht Dürers und einem grellen Ölbild Ryan Presleys von 2020, auf dem ein Boomerang zur Waffe wird.

Highlight: Außenansicht des Weltgericht-Triptychon von Hieronymus Bosch. Im Fokus: der kleine Aal neben dem heiligen Jakobus (links).
Foto: Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Konfus und divers

Einem wirren Theaterstück gleich stellt die Schau in elf Szenen, samt Prolog und Epilog, je ein Werk aus den Sammlungen ins Zentrum und spiegelt oder konterkariert dieses mit anderen Arbeiten. Zwar schafft es das Konzept so, Werke in neue Beziehungen zu setzen. Dennoch sind manche Verbindungen kaum nachzuvollziehen. Das Booklet ist Pflicht, um durch diese doch experimentelle Ausstellung zu navigieren, wobei auch dieses etwas zu knappe Erklärungen liefert.

Videos, Fotografien, Skulpturen, Gemälde, Stiche, Zeichnungen – die Medien sind genauso vielfältig wie die gezeigten Künstlerinnen und Künstler. Hier kommen nicht nur viele außereuropäische Positionen dazu, sondern auch unbekanntere Namen. Ein erfrischender (und auch witziger) Versuch, eurozentrische und koloniale Sichtweisen zu hinterfragen. So zerreißt Rajyashri Goody Texte über das indische Kastensystem und verarbeitet das Papier zu Skulpturen. Und Kiluanji Kia Henda zieht antiken Ministatuen bunte Kondome über.

Absurde Momente mit Aal

In ein wirklich absurdes Setting wird das Weltgerichtstriptychon von Hieronymus Bosch gesetzt. Denn die Aufmerksamkeit liegt nicht auf dem Hauptwerk selbst, sondern auf dem kleinen Aal, der sich neben dem heiligen Jakobus auf dem linken Außenflügel befindet. Als Ansatz dient der Freud’sche Versuch, die Sexualität von Aalen zu erforschen – es folgen eine Vergewaltigungsszene bei Tizian, eine Selbstentjungferung bei Nilbar Güreş und ein melancholischer Gipsabguss der Psyche.

Fragt man, wieso das Triptychon nur einen Spalt weit geöffnet ist, lautet die Antwort: "Wenn die Menschen nur das zu sehen bekommen, was sie wollen, wird sich nie etwas ändern." (Katharina Rustler, 8.10.2021)