Ein klassischer Move. Wer den Spartathlon beendet, berührt den Fuß der Leonidas-Statue. Diana Dzaviza darf als Siegerin zudem eine Trophäe tragen.

Foto: Egon Theiner

Diana Dzaviza auf den letzten von 246.000 Metern. Die Lettin, die seit 2013 in Wien lebt, hat das "Ultralaufteam Heustadlwasser" in Griechenland würdig vertreten.

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Loszurennen kostet oft mehr Überwindung, als weiterzurennen. Das kann für jegliches Training gelten, sei es fürs körperliche Wohlbefinden, sei es in der Vorbereitung auf den klassischsten aller Läufe, den Marathon. Es geht aber noch mehr. Beim seit 1983 veranstalteten Spartathlon etwa kann man laufend knappe sechs Marathons am Stück bewältigen, nämlich 246 Kilometer von Athen nach Sparta. Übernachtungen sind dabei nicht vorgesehen, innert 36 Stunden muss das Ziel erreicht werden. Diana Dzaviza schaffte das Ende September locker, sie hätte sich unterwegs durchaus ein ausgedehntes Nickerchen gönnen können. Die in Wien lebende Lettin tat dies freilich nicht, sie kam nach 25:23:59 Stunden als Siegerin in Sparta an.

Die drei schnellsten Frauen beim Spartathlon 2021: 1. Diana Dzaviza (25:23.59 Stunden/Gesamtsiebente), 2. Zsuzsanna Maraz aus Ungarn (25:59.51/Neunte), 3. Noora Honkala aus Finnland (26:26.48/Zehnte).
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Nur sechs Männer, allen voran der Grieche Fotis Zisimopoulos in 21:57:36 Stunden, waren schneller als Dzaviza. Wie sie ihre sensationelle Leistung erklärt? "Ich frage mich auch, wie ich das schaffen konnte. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass ein Mensch so weit laufen kann", sagt sie. Gedanken ans Aufhören kommen ihr unterwegs nicht in den Sinn. "Ich denke immer positiv, das motiviert mich, weiterzumachen." Das Laufen, sagt sie, versetze sie in Euphorie.

Spartathlon Greece

Die Ausfallquote bei dieser Ausgabe des Spartathlons lag bei ungefähr 50 Prozent. Von 341 Teilnehmern und Teilnehmerinnen kamen 167 an. Manchmal müsse es doch die reinste Qual sein, möchte man meinen. "Nein, niemals!", sagt Dzaviza. Was aber tun, wenn der Kopf nicht mehr will? "Ich sage mir immer, dass ich stark bin, es schaffen kann und nur weiter meine Beine bewegen muss. Alles andere passiert von allein." Es helfe ihr auch, an Menschen zu denken, die mit ihr mitfühlen. "Ich sauge diese Energie auf und bleibe sehr konzentriert bei diesen Gedanken. Die Kilometer verschwinden einfach hinter meinem Rücken. Ich denke nie, ich muss noch hundert laufen. Ich laufe etappenweise, ich laufe zur nächsten Verpflegungsstation. Dort freue ich mich auf die Menschen, und dann schaue ich weiter." Die gesamte Distanz in einem könnte sie "mental nicht verkraften".

Aber warum tut man sich das an? "Ich renne nicht, um wegzulaufen. Ich laufe, um zu finden", sagt die 34-Jährige. "Ich suche das Glück und dieses Gefühl, wenn man sich komplett eins fühlt." Sie finde zudem Kraft, im täglichen Leben anfallende, auch größere Probleme anders zu betrachten, anzugehen und zu lösen: "Wenn ein Mensch positiv denkt, dann wird Positives passieren, unsere Gedanken sind unsere Zukunft."

Kopf und Beine

Dzaviza ist selbst manchmal verwundert, wie gut ihr Körper nach Strapazen regeneriert. Sie ist sich dessen bewusst, dass es nicht gerade gesund ist, so weit zu laufen. Ihr Kopf fühlt sich danach müde, aber die Beine sind okay. Ihr Körper habe sich an die Belastung gewöhnt. Nach ihrem ersten 200er sei es ihr nicht so gut gegangen. "Ich lag drei Tage mit hochgelagerten Beinen im Bett."

Die Vorbereitung für den Spartathlon verlief nicht optimal. Nach einem Sturz auf einem Berg zwang sie ein lädiertes Knie zu einer längeren Pause. Dennoch hat sie heuer schon zwei 100-Kilometer-Läufe absolviert und beide gewonnen, die österreichischen Meisterschaften in Langenzersdorf sowie das Austria Race Across Burgenland. In Griechenland ist sie nun erst zum zweiten Mal über 200 Kilometer gelaufen. "Ich denke, für heuer ist es für meinen Körper genug."

Körper und Geist

Seit Dzaviza von Gerhard Schiemer trainiert wird, hat sie weniger Schmerzen. Sein Motto: Weniger ist mehr. "Ich glaube, er hat recht", sagt sie. Das Mitglied des "Ultralaufteams Heustadlwasser" ("Sie haben mich im Team aufgenommen, als wäre ich ewig dabei") läuft wöchentlich 100 bis 140 Kilometer, mal auch 200. Insgesamt legte sie heuer rund 3500 Kilometer zurück. "Ich laufe gar nicht so viel", sagt sie. Zuletzt trainierte sie verstärkt im mentalen Bereich, weil auch ihr die Corona-Zeit zugesetzt hat. Wichtig sei, an sich zu glauben. "Beim Laufen spielt der Geist eine große Rolle, dann erst kommt der Körper."

Spartathlon Greece

Ob sie sich auf langen Strecken unterwegs einmal eine Pause gönnt? "Ich strecke mich manchmal." Auf Rat ihres Trainers bleibt sie gegen Ende bei Verpflegungsstationen auch einmal kurz stehen, um die Gelenke zu entlasten. Unterwegs nimmt sie Gels und isotonische Getränke zu sich, auch Kartoffeln mit Salz und Reis. Bei Übelkeit setzt sie auf Salzbrezel, bei Hitze trinkt sie auch gerne Bier, alkoholfrei versteht sich. In den vergangenen Monaten hat sie ihre Ernährung umgestellt, sie verzichtet nahezu gänzlich auf Fleisch. "Es ist nicht gut für den Körper und die Verdauung." Sie achte auf gute Qualität bei Kohlenhydraten, Fetten und Ballaststoffen und empfiehlt eisenhaltige Nahrung.

Stadt und Berg

Lebenslauf heißt es nicht von ungefähr, auch Diana Dzavizas Vita liest sich wie der Plan eines langen Etappenrennens. Nach der Scheidung in Lettland ist sie im August 2013 dem Ruf ihrer in Österreich lebenden Schwester gefolgt, obwohl sie kein Wort Deutsch konnte. Und sie ist geblieben. "Wien ist eine tolle Stadt, ich gehe gerne ins Theater, ins Kabarett. Ich liebe Niavarani, er ist mein Gott. Aber ich bin ein Bergmensch. Irgendwann will ich in die Berge übersiedeln."

Eine unglückliche Beziehung war einer der Hauptgründe, warum sie tief ins Laufen eingetaucht ist. "Immer wenn es mir nicht gut ging, habe ich mich für einen Lauf angemeldet. So bin ich zum Ultralauf gekommen", sagt sie. Dabei hatte Dzaviza nach ihrem ersten Marathon eigentlich genug. Doch für die in der Datenauswertung vollzeitbeschäftigte, alleinerziehende Mutter einer mittlerweile elfjährigen Tochter haben sich das frühe Aufstehen und das umfangreiche Training mit komplettem Verzicht auf Alkohol nur kurz nach Opfer angefühlt. Es dauerte nicht lange, bis sie wieder ihre Laufschuhe schnürte. "Ich wusste, dass es mich glücklich macht." (Thomas Hirner, 8.10.2021)