Bild nicht mehr verfügbar.

Die Akzeptanz für Syriens Machthaber Bashar al-Assad wächst derzeit – zumindest international.

Foto: REUTERS/Yamam al Shaar

Zehn Jahre Bürgerkrieg und kein Frieden in Sicht. Zumindest nicht zwischen dem syrischen Regime und der Opposition. Allerdings bemühten sich arabische Staaten, zuletzt etwa Jordanien, um eine Normalisierung mit Machthaber Bashar al-Assad. Für Menschenrechtler in der Diaspora ein fatales Signal. "Es ist ein Fehler und eine Schande", sagt die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Joumana Seif im Gespräch mit dem STANDARD.

Mazen Darwish sieht auch die in Jordanien stattfindenden Gespräche zwischen Ägypten, Syrien und Israel über Energiefragen im Zusammenhang mit der voranschreitenden Normalisierung. Der Anwalt und Menschenrechtler kann sich auch vorstellen, dass Syrien wieder Mitglied der Arabischen Liga wird. "Eine langfristige Lösung bringt das aber nicht", ist Darwish überzeugt. Damit werde der Eindruck erweckt, die Krise in Syrien sei vorbei, doch in der Realität ändere sich nichts. "Der einzige Weg für nachhaltigen Frieden in Syrien ist ohne Assad."

Natürlich gehe es nicht nur um Assad allein: "Es ist nicht genug, nur eine Person auszutauschen", sagt Darwish, auch in Hinblick auf die US-Invasion im Irak. Es brauche Garantien, dass nicht ein Diktator durch den nächsten ersetzt wird. Und neben der politischen bräuchte es auch eine juristische Transition.

Aufarbeitung vor Gericht

Millionen Syrer würden Antworten, Gerechtigkeit und Wahrheit brauchen, dass jemand zur Rechenschaft gezogen werde. Internationale Prozesse wie jener im deutschen Koblenz, bei dem ein Angeklagter wegen Staatsfolter in Syrien verurteilt wurde, seien wichtig, aber nur eine Notlösung. Denn eine juristische Aufarbeitung in Syrien selbst oder der Gang zum Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag seien nicht möglich. "Das ist unser Weg, die Akte auf dem Tisch zu lassen", sagt Darwish. Die internationale Gerichtsbarkeit ist blockiert, weil Russland und China gegen die Befassung des Strafgerichtshofs oder die Einrichtung eines Sondertribunals ihr Veto einlegen würden. In Staaten, in denen das Weltrechtsprinzip gilt, wie Deutschland und Österreich, können Völkerrechtsstraftaten verfolgt werden, auch wenn sie nicht auf dem eigenen Hoheitsgebiet und von eigenen Staatsbürgern verübt wurden.

Darwish glaubt, es könnte noch zu mehr Festnahmen in noch mehr Ländern kommen. Noch dieses Jahr könnte etwa in Frankfurt ein Prozess beginnen, sagt Seif. Dabei gehe es um sexualisierte Gewalt, Folter und Tötung von syrischen Zivilisten in Militärspitälern. Derzeit umfasst die Anklage mehrere männliche Opfer, Seif hofft, dass sie auf Frauen und Mädchen ausgeweitet wird.

"Frauen in Syrien haben zweimal bezahlt", sagt Seif, die zu sexualisierter und geschlechterspezifischer Gewalt arbeitet. Sie seien als Aktivistinnen persönlich vom Regime verfolgt, aber auch als Angehörige als Geiseln genommen worden, mit der Androhung sexualisierter Gewalt. "Frauen wurden sexuell missbraucht, um eine Botschaft der Erniedrigung an die Angehörigen zu schicken", sagt Seif über ihre Gespräche mit Betroffenen. "Frauenkörper wurden als Kriegswaffe verwendet."

Auswirkungen fehlender Gerechtigkeit

Darwish fordert ernsthafte Konsequenzen gegen den Einsatz von Chemiewaffen und von Folter. Dabei gehe es nicht nur um Schutz und Hilfe für die syrischen Opfer. Sonst könne, was in Syrien ohne Konsequenzen geschah, auch anderswo möglich sein. Es sei auch der einzige Weg, dass Flüchtlinge zurückkehren würden, sagt Darwish, der selbst mehr als drei Jahre in Syrien in Haft war. "Ich will zurück nach Syrien, aber ich gebe meinem Mörder keine zweite Chance, mich umzubringen, wenn ich einmal überlebt habe."

Darwish sorgt sich auch darum, welche Auswirkungen fehlende Gerechtigkeit und die Normalisierung Assads auf die syrische Jugend im Ausland haben. "Sie fühlen sich alleingelassen, dass niemand sich für ihr Leiden interessiert." Sie könnten sich dem Extremismus zuwenden, wenn sie den Glauben an Demokratie und Menschenrechte verlieren.

Den Uno-geführten Gesprächen über die zukünftige syrische Verfassung, die in Genf seit Monaten keine Fortschritte gebracht haben, geben die beiden wenig Chancen. Internationale und regionale Mächte spielen eine viel größere Rolle, sagt Darwish. Für Seif ist es eine "Schande", dass die Syrer selbst nicht involviert seien. "Russland, Türkei, USA und der Iran sind die wichtigsten Akteure in Syrien", ist Darwish überzeugt, solange sie sich nicht einigen, werde auch der Prozess in Genf nicht vorankommen. (Noura Maan, 8.10.2021)