Der Geiger als Naturschützer: Michael Schnitzler bei den Goldwäschern im Esquinas-Regenwald, seit 1989 engagiert er sich mit seinem Verein Regenwald der Österreicher.

Foto: Michael Schnitzler

Ein Viertel der Landesfläche von Costa Rica steht unter Naturschutz, die Hälfte des Staatsgebiets ist bewaldet. Das war nicht immer so. Bis 1950 hatte das Land 60 Prozent seiner Waldflächen durch Rodung verloren. Doch bereits Anfang der 70er-Jahre war hier eine Naturschutzbewegung entstanden, nicht zuletzt durch das Engagement des langjährigen Direktors der Nationalparkverwaltung, Alvaro Ugalde. Er wurde vom Time-Magazin als "Environmental Leader of the Century" ausgezeichnet.

Eines seiner wichtigsten Projekte, die Gründung des Corcovado-Nationalparks auf der Halbinsel Osa, stellte deren weitläufige und artenreiche Wälder unter Schutz. Hier gibt es mit über 500 Baumarten noch Lebensraum für Jaguare, Pumas, Ozelote und Tapire.

Der 140 Quadratkilometer große Esquinas-Regenwald (der spätere "Regenwald der Österreicher"), der sich vom Rio Esquinas im Norden über die Ortschaft La Gamba bis zum Forstreservat von Golfito erstreckt, war daher einer der letzten ungeschützten Tieflandregenwälder an der mittelamerikanischen Pazifikküste.

Beim Landeanflug auf Golfito überfliegt man den Esquinas-Regenwald, und jedes Mal betrachtete ich mit Entsetzen Schneisen aus roter Erde, die in den Wald führten, und Lager mit riesigen Holzstämmen. In mir reifte die wahnwitzige Idee, etwas gegen diese Zerstörung zu unternehmen, also bat ich um ein Treffen mit Alvaro Ugalde. Er bemühte sich seit Anfang der 90er-Jahre, diese kaum erforschte, artenreiche Wildnis unter Schutz zu stellen, und hatte auch erreicht, dass das Gebiet zum Nationalpark erklärt worden war.

Regenwald der Österreicher

Dieser Beschluss bestand jedoch nur auf dem Papier, da der Staat keine Grundbesitzer enteignen darf, auch nicht, um Raum für neue Naturschutzgebiete zu schaffen. Jeder, der Grund besaß, konnte um Schlägerungsgenehmigungen ansuchen, und spätestens zu Beginn der Trockenzeit begann man mit der Zerstörung des Waldes.

Alvaro Ugalde meinte, man könne den Wald nur retten, indem man ein Grundstück nach dem anderen kaufe und zweckgebunden der Republik Costa Rica schenke. Leider habe die Nationalparkverwaltung keine Ressourcen für Landkäufe, also müsse ich dieses Geld in Österreich auftreiben. Alvaros Charisma und sein Enthusiasmus begeisterten mich, und ich begann über Möglichkeiten nachzudenken, so viel Wald wie möglich zu retten.

Der Blick von Michael Schnitzlers Haus auf der Playa Cacao.
Foto: Michael Schnitzler

Der WWF hatte 1984/1985 eine erfolgreiche Rettungskampagne für die Donauauen bei Hainburg durchgeführt, auch das Haydn-Trio hatte bei einem Benefizkonzert mitgewirkt. Der Slogan "Natur freikaufen" gefiel mir.

Bei einem Gespräch mit den Regenwaldvertretern von WWF, Greenpeace und Global 2000 schilderte ich meinen Plan und wurde mitleidig belächelt. Wie sollte ein einzelner Mann einen Regenwald retten? Ein Geiger? Ohne Werbung und ohne Institution im Hintergrund würde ich bestenfalls eine Million Schilling, also umgerechnet 72.000 Euro, auftreiben können.

Großzügige Musikerfreunde

Obwohl ich entmutigt war, wollte ich die Idee nicht aufgeben. Ich gründete den Verein Regenwald der Österreicher mit der Idee, symbolische Grundanteile um 35 Groschen pro Quadratmeter (heute etwa drei Cent) zu verkaufen. Im August 1991 nahm der Verein seine Tätigkeit auf, ich eröffnete ein Bankkonto und ging schnorren – zu Verwandten, Freunden, Kollegen und Bekannten.

Viele Musikerfreunde spendeten großzügig, Claudio Abbado und das Artis-Quartett kauften symbolisch je einen Hektar Regenwald. Die ehemaligen Mitglieder der Wiener Solisten spendeten sämtliche Schallplattentantiemen der letzten zehn Jahre. Bis Weihnachten, also nach fünf Monaten, hatten wir eine Million Schilling auf unserem Konto, genug Geld, um fast 300 Hektar Wald zu kaufen.

Bald sprach sich in La Gamba und Umgebung herum, dass ein verrückter Österreicher den Esquinas-Wald aufkaufen wolle. Vor meinem Haus auf der Playa Cacao erschienen Bauern im Einbaum und priesen ihre Wasserfälle an, da sie dachten, ich sei an einer touristischen Nutzung interessiert. Es dauerte lange, bis sie verstanden, dass nicht ich es war, der ihre Grundstücke kaufen wollte, sondern eine österreichische Organisation. Warum wir das gekaufte Land gleich wieder an ihren Staat weiterschenkten, blieb für sie ein Rätsel.

Wettrennen gegen die Zeit

Der Preis der Grundstücke wurde von der Regierung berechnet, und fast alle Besitzer waren zum Verkauf bereit. Immer wieder kam es zu dramatischen Wettrennen gegen die Zeit, denn wir konnten ja immer nur so viel Wald kaufen, wie wir Geld zur Verfügung hatten.

Es war nicht einfach, rechtlich einwandfreie Grundstücke zu finden, viele waren von den Eltern oder Großeltern der "Besitzer" nicht gekauft, sondern illegal besiedelt worden, und die meisten Waldstücke waren nie vermessen worden. (...) Dazu kommt Costa Ricas schwerfällige Bürokratie: Manchmal mussten wir jahrelang warten, bis der Staat die Schenkungen überhaupt annahm.

Einige Grundbesitzer versuchten, den Preis in die Höhe zu treiben, und forderten den Marktwert jedes einzelnen Hartholzbaums, schließlich würde ihnen durch den Verkauf die Verdienstmöglichkeit als Holzfäller verlorengehen. Doch ich ließ mich nie erpressen und weigerte mich, den überhöhten Preis zu bezahlen.

Eine Gruppe von (illegalen) Goldwäschern, die im Esquinas-Regenwald wohnten, fühlte sich benachteiligt, weil wir nur von Holzfällern Land kauften. Bei einem Lokalaugenschein wollten sie mir beweisen, dass auch sie dem Wald großen Schaden zufügten.

Lokalaugenschein

Wir fuhren mit einem Boot den Rio Esquinas einige Kilometer flussaufwärts. Nachdem wir noch eine Stunde durch den Dschungel zu einem Bach gewandert waren, erklärten mir die Oreros, wie sie genannt werden, dass sich das Gold unter den Wurzeln befinde und die Bäume deswegen untergraben werden müssten. Sie demonstrierten eindrucksvoll, wie ihre Hochdruckschläuche mithilfe eines Generators den kristallklaren Bach in ein rotbraunes Rinnsal verwandelten.

Die unterspülten Bäume fielen um und blieben liegen, da die Männer lediglich an Gold interessiert waren. Noch nie hatte einer von ihnen ein Riesennugget ausgegraben, doch sie gaben die Hoffnung nicht auf, der älteste Orero lebte seit 25 Jahren an diesem Platz.

Einmal im Monat kam ein seltsamer kleiner Amerikaner irischer Abstammung namens Patrick vorbei und kaufte ihnen den Goldstaub um eine Handvoll Dollar ab. In ihrer Siedlung aus Wellblechhütten mit Lehmböden luden sie uns zum Essen ein, und ich fühlte mich wie ein Forscher bei einem neu entdeckten Indianerstamm mitten im Amazonas-Urwald.

Noch nie zuvor waren Ausländer bei ihnen zu Gast gewesen, und sie hatten uns zu Ehren ein Huhn geschlachtet, das sie mit Reis und Bohnen servierten. Alle, auch eine Schar zerlumpter Kinder, standen stumm um uns herum, während wir versuchten, möglichst unverkrampft zu essen. Sie lebten in bitterer Armut und wären sofort bereit gewesen wegzuziehen, doch illegalen Siedlern kann man kein Land abkaufen.

Versiegende Finanzquellen

Nachdem nun alle meine Freunde und auch entfernte Bekannte stolze Besitzer eines Stücks Regenwald waren, war die Euphorie bald verflogen, und die Finanzquelle geriet ins Stocken. Ich selbst hatte schon viel Zeit für den Verein aufgewendet, nun wollte ich auch meinen eigenen finanziellen Beitrag zum Freikauf leisten.

Und da ich wusste, dass für ein weiteres Vorankommen eine breitere Öffentlichkeit unumgänglich war, beschloss ich, mein Geld in klassische Werbung zu investieren, und schaltete ein einseitiges Inserat in einer auflagenstarken TV-Programmzeitschrift.

Das Konzept ging auf: Viele Österreicher wollten helfen, doch das Bedeutendste war, dass die Kronen Zeitung auf die Kampagne aufsprang. Umweltredakteur Mark Perry schrieb einen Artikel über das Projekt, bezeichnete mich als "Robin Wood", der im Alleingang den Regenwald retten wolle, und rief zum Spenden auf. Das Echo war überwältigend.

Der damalige Direktor des Naturhistorischen Museums, Bernd Lötsch, veranstaltete Führungen auf dem Dach seines Hauses und verlangte als "Eintritt" den Freikauf von 100 Quadratmeter Regenwald als Spende für unseren Verein. Ich hielt Diavorträge im Museum und in zahlreichen Schulen, spielte bei Benefizkonzerten zugunsten des Regenwaldes.

Ich lernte, mit einem Computer umzugehen, und wir verschickten einen Newsletter mit dem Namen "Regenwald-Nachrichten" an alle Spender. (...) Auf einmal hatte ich zu meiner Arbeit als Violinprofessor und Geiger des Haydn-Trios einen zweiten Fulltimejob.

Kreative Ideen

Tausende Österreicherinnen und Österreicher kauften ein symbolisches Stück Regenwald, Firmen schenkten ihren Kunden zu Weihnachten statt Terminkalendern ein paar Quadratmeter Regenwald. Ein Clubbing in einem Wiener Palais, ein Charity-Golfturnier in der Steiermark, eine Weinverlosung in Niederösterreich oder ein Discoabend in Tirol: Zahlreiche kreative Ideen führten dazu, dass regelmäßig Einnahmen an unseren Verein überwiesen wurden.

Bei Pfadfinder- und Maturabällen, bei Diavorträgen und Konzerten, bei Firmenfeiern und Tombolas, bei Gemälde- und Fotoausstellungen, einmal sogar bei einem Karate-Wettkampf und einer Tagung der Hafner und Fliesenleger wurde gesammelt. Die Liste der spendenfreudigen Firmen, Klubs und Vereine las sich wie das Branchenverzeichnis: ein Höhlenforschungsverein, eine Heizölfirma, eine Naturholzmöbelfabrik, eine Gasgerätefirma, eine Stadtgemeinde, eine Apothekerzeitung, eine Fertigteilhausfirma, eine Obstgroßhandlung, ein Erzeuger von Bioziden, eine Schauspielgruppe, eine Heizungspumpenfirma, ein Holzmuseum, eine Schwimmteichfirma, ein Optikunternehmen, eine Supermarktkette, eine Sanitärgroßhandlung, eine Kunsthalle, ein Orchester, eine Society-Zeitschrift und viele mehr.

Unterrichtsthema

Im Laufe der Jahre besuchten auch Lehrerinnen und Lehrer den "Regenwald der Österreicher" und machten danach das Projekt zum Unterrichtsthema. Insgesamt haben bisher mehr als 300 Schulen in ganz Österreich Aktionen zugunsten des Esquinas-Regenwaldes durchgeführt, oft gab es zwischen den Klassen regelrechte Wettkämpfe um die Anzahl der freigekauften Quadratmeter (...). Auch der ORF sprang auf den Zug auf: Im Regenwald der Österreicher wurde ein Fernsehfilm mit dem Schwerpunkt "Forschung im Regenwald" gedreht.

Zum Glück hatten die professionellen österreichischen Umweltschützer nicht recht behalten: Wir haben bis 2020 nicht 72.000 Euro, sondern sechs Millionen Euro an Spenden eingenommen! Meinen Namen als Enkel Arthur Schnitzlers und meinen Ruf als Musiker habe ich dabei immer schamlos eingesetzt, auch dadurch erreichte der Regenwald der Österreicher eine regelmäßige Medienpräsenz.

So konnten wir durch den Verzicht auf bezahlte Werbung stolze 85 Prozent aller Spenden für die Projekte in Costa Rica bereitstellen. Im Jahr 2000 erhielt der Verein Regenwald der Österreicher den mit 50.000 Schweizer Franken dotierten Großen Binding-Preis für Natur- und Umweltschutz in Liechtenstein. Ein anwesender Schweizer Bankier war von unserem Projekt so begeistert, dass er die Summe verdoppelte und uns damit ermöglichte, weitere 116 Hektar freizukaufen. (Michael Schnitzler, Vorabdruck im ALBUM, 9.10.2021)