Schauspieler Lars Eidinger betätigt sich fotografierend als Chronist des Absurden: der Berg als Kulisse und Vorstellung in Paris.

Foto: Ze Tux Gallery

Je weiter man ins Tiroler Zillertal hineinfährt, desto dichter drängen sich die gesichtslosen Tourismusbauten an die Bundesstraße. Kein Zweifel, wo hier der Bartl den Most – oder vielmehr: das Moos – holt. Die Gegend ist eine Tourismushochburg, sie war einst auch Schauplatz von Felix Mitterers Piefke-Saga. Gegenwartskunst würde man hier nicht unbedingt erwarten, umso wirkungsvoller die kleinen Irritationen, die ein paar Kurven weiter, am Eingang des Tuxertals, an Hausfassaden auftauchen: Unter einem Geranien-geschmückten Balkon sieht man ein trügerisches Bergdorf-Idyll, das von Feuer spuckenden Vulkanen umringt ist.

Von der anderen Straßenseite schielt ein Raubvogel auf die gestickten Minor Catastrophies von Nives Widauer herüber. Der Adlerkopf von Siggi Hofer sieht freilich ganz anders aus als das Tiroler Wappentier, mit dem hiesige Hardcore-Patrioten gern auch die auswärtigen Bereiche ihrer Privatdomizile schmücken.

Kein Berg zu hoch ...

Seit einigen Jahren funktioniert der in Wien lebende Künstler Christian Stock Teile seines Elternhauses in Vorderlanersbach während der Sommermonate zu einer Galerie für zeitgenössische Kunst um, "Ze Tux Gallery" nennt sie sich, Ain’t No Mountain High Enough lautet der Titel der diesjährigen Schau.

Kuratiert hat Stocks Freundin Mari Otberg, ihrerseits Künstlerin, Illustratorin und offensichtlich auch eine gute Netzwerkerin: Auf der Künstlerliste finden sich allerlei prominente Namen – darunter Jonathan Meese, Erwin Wurm und Martin Parr.

Meeses handgeschriebenes Manifest für die Diktatur der Kunst hat zwar auch mit dem pflichtschuldig untergebrachten Hinweis auf "Erztirol" nicht viel mehr zu bieten als das sattsam Bekannte. Doch das fällt am Ende auch nicht mehr auf als manch allzu geschmäcklerisch gemaltes Alpenpanorama.

Kaleidoskop zum Thema Berge

In dichter Salonhängung, die sich im verspiegelten Fußboden noch dazu effektvoll verdoppelt, wird ein buntes Kaleidoskop zum Thema Berge präsentiert, Fotos von Lars Eidinger lenken den Blick auf Absurd-Kulissenhaftes. Selbstredend fehlt auch Kritisches zur Ausbeutung der Natur nicht. Bei Anna Meyer kommt es mit herrlich schwarzem Humor daher: In ihrer Installation Weltschmelz rinnt "der weiße Rest" über ein Hampelmann-Zumpferl zur mit Menstruationsblut angereicherten Gletscherzunge aus.

Das ist durchaus starker Tobak für eine Tourismusregion, Hinrich Krögers groteskes Keramik-Kruzifix hat man vielleicht auch deshalb lieber ums Eck in der ehemaligen Holzschnitzerwerkstatt von Stocks Vater versteckt.

In jenem Galerieraum, der mit Start der Wintersaison wieder in einen Skiverleih umgewandelt wird, schauen einen derweil Katrin Plavčaks gemalte Bergvisionen aus unschuldigen Schweinsaugen heraus an. (Ivona Jelčić, 9.10.2021)