Während der letzten Phase hoher Inflation in den 1970er-Jahren war der Goldpreis auf Höhenflug. Danach sieht es bisher nicht aus.

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Was ist mit dem Goldpreis los? Eigentlich gilt das Edelmetall als sicherer Hafen, vor allem gegen Geldentwertung. Obwohl zuletzt monatlich steigende Inflationszahlen aus den USA und Europa gemeldet wurden, kann Gold nicht profitieren. Im Gegenteil, vielmehr liegt der Preis für eine Feinunze bei etwa 1750 US-Dollar und damit gut 15 Prozent unter dem Rekordwert vom Sommer des vergangenen Jahres. Taugt Gold als Inflationsschutz etwa nicht mehr?

"Die Inflation ist hoch, aber nicht hoch genug", erklärt Marktanalyst Craig Erlam vom Brokerhaus Oanda die Lage. Denn im Gegenzug hat seiner Ansicht nach zuletzt der erfolgte Anstieg der Anleihenrenditen den Goldpreis tief gehalten. Schließlich steht das unverzinste Edelmetall in Konkurrenz zu anderen sicheren Anlagen – und dazu zählen auch US-Staatsanleihen. Zehnjährige Papiere spielen dort immerhin wieder 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr ein – allerdings liegt die US-Inflation seit Monaten über fünf Prozent.

"Gold ist eine der besten Inflationsabsicherungen, die es gibt", lässt sich Rudolf Brenner davon nicht beirren. Der Chef des Wiener Handelshauses Philoro Edelmetalle erklärt die derzeitige Kursdelle mit der Erwartung vieler Investoren, dass die Inflation bald nachlassen werde. Ein Narrativ, dem er nichts abgewinnen kann: "Wenn Inflation aufgrund der großen Geldmengenausweitungen kommt, dann kommt sie, um zu bleiben."

Langfristige Inflationstreiber

Denn Brenner zufolge gibt es auch langfristige Faktoren, die für eine höhere Teuerung sprechen: Die Demografie befeuere den Fachkräftemangel, was zu steigenden Löhnen und Preisen führe. Aber auch Nachhaltigkeit und Klimawandel, etwa über steigende CO2-Steuern, würden die Inflation antreiben.

Brenners Fazit lautet: "Die Äußerungen der Notenbanken sind permanente Beschwichtigungsversuche, um nicht an der Zinsschraube drehen zu müssen. Das spielt einem in die Karten – und das ist der Souverän." Die "massiven Schuldenberge" der Staaten sollen durch Inflation abgetragen werden. Aber es nimmt nicht nur der Gegenwert der Staatsschulden ab, sondern auch das unverzinste Ersparte der Bürger, dessen Kaufkraft ebenfalls durch die Teuerung aufgezehrt wird.

Kritik an Berechnung

Kritik übt Brenner an der Inflationsberechnung, die eher zu tief ausfalle – etwa wegen der Zusammensetzung des Warenkorbs, mit dem Verbraucherpreise erfasst werden. Oder an der sogenannten Hedonik, bei der Leistungsgewinne – etwa bei PCs – zu Preisreduktionen bei der Inflationsmessung führen – obwohl Verbraucher den vollen Betrag zahlen müssen. "Das ist Etikettenschwindel."

Warum hat sich Bitcoin zuletzt besser geschlagen als Gold? Ist die Kryptowährung der neue Inflationsschutz? "Bitcoin wird oft als das digitale Gold bezeichnet", sagt Brenner. Man könne es aber nicht eins zu eins vergleichen. "Der wesentliche Unterschied ist, dass Gold ein Realwert ist, den ich angreifen kann." Es habe Tradition und ein breites Publikum, Kryptowährungen seien bei Jungen beliebt.

Brenner lehnt Bitcoin und Co nicht ab, im Gegenteil: "Ich bin überzeugt, dass die Zukunft bei einer privaten Währung liegt." Sein Haus bastelt derzeit an einer Kryptowährung mit Golddeckung, für die Brenner Marktchancen sieht: "Eine digitale Währung mit der hohen Akzeptanz einer Golddeckung sollte sich etablieren können."

Sicherer Hafen

Problematisch sei bei Bitcoin etwa der hohe Energieverbrauch, während der Philoro-Chef den Goldabbau bei Nachhaltigkeit auf "sehr gutem Weg" wähnt. Schon seit zehn Jahren auf hohem Niveau sei die Nachfrage von Privaten: "Die sehen Gold als sicheren Hafen."

Hat also Gold als Inflationsschutz nicht ausgedient, sondern ist die höhere Teuerung bloß noch nicht nachhaltig genug? "Wir sehen darin kein Problem, sondern eine Chance", heißt es aus dem Fondshaus Jupiter. Die Märkte gingen von einer vorübergehenden Inflation und einer Straffung der Geldpolitik und Rückführung der Wertpapierkäufe aus. "Falls sich eine – oder beide – Annahme als falsch erweisen sollte", lautet das Fazit, "sehen wir noch viel Luft nach oben für Gold und Silber." (Alexander Hahn, 7.10.2021)