Bild nicht mehr verfügbar.

Sebastian Kurz und Werner Kogler haben ihre Parteien in eine schwierige Lage manövriert.
Foto: REUTERS

Es ist ein klassisches Patt: Werner Kogler will nicht mit Sebastian Kurz regieren, die ÖVP will nur mit Kurz regieren. Beide haben ihre Parteien damit in eine schwierige Lage manövriert. Kogler, weil sein Plan, die ÖVP zum Austausch des Kanzlers zu drängen, nicht aufgegangen ist – nun kann Kogler nicht mehr zurück, sonst zerreißt es seine Partei. Und Kurz, weil er seine Partei zum Treueschwur gezwungen hat – er will einfach so weitermachen, trotz Ermittlungen wegen Falschaussage, Untreue und Bestechlichkeit gegen ihn.

Dabei hätte die ÖVP die Wahl gehabt: Kurz tritt vorübergehend beiseite, bis die Vorwürfe geklärt sind, ein neuer Kanzler übernimmt, die Macht ist gesichert. Stattdessen stellen sich die Funktionäre hinter den beschädigten Parteichef, obwohl sie wissen, dass Koglers Ultimatum heißt, dass sie die Macht verlieren.

Damit hat die ÖVP aus einer türkisen eine schwarze Krise gemacht. Mit den Hausdurchsuchungen wurden zunächst nur Kurz und sein innerer Zirkel untragbar. Mit dem Treueschwur der Partei ist nun die ganze ÖVP toxisch geworden. Denn niemand kann es sich erlauben, mit einem Partner zu regieren, gegen dessen Führung wegen Korruption ermittelt wird. Die Regierung Kurz II droht zu enden wie Kurz I – mit einem Misstrauensvotum im Parlament. Kurz wäre erneut gescheitert.

Auch wenn die ÖVP womöglich damit rechnet, ein zweites Mal mit Kurz in der Opferrolle in Neuwahlen zu gehen: Die Voraussetzungen für die Zeit danach sind schlecht. Den "neuen Stil" des Regierens, den Kurz versprochen hat, glaubt niemand mehr; vom Saubermann-Image ist nach der Lektüre der Chats nichts mehr übrig. Dem Parteichef drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis, sollten ihm die vorgeworfenen Taten nachgewiesen werden. Auch gegen seine Getreuen, die bisher für den Erfolg der Türkisen mitverantwortlich waren, wird ermittelt. Es ist kein Partner in Sicht, der es sich leisten kann, da anzustreifen. Das ist keine gute Perspektive für die Zeit nach dem Votum am Dienstag.

Schmerzhafte Phase

Der Zeitpunkt für diese Regierungskrise ist denkbar schlecht. Gerade jetzt bräuchte das Land Stabilität, um bei so wesentlichen Themen wie der Corona-Pandemie, der Steuerreform und dem Klimaschutz handlungsfähig zu sein. Für Neuwahlen sind die Parteien nicht gut gerüstet, es fehlt teils an Geld, teils an einer Strategie, teils an Kandidaten. Österreich steht eine schmerzhafte Phase bevor.

Doch es kann auch etwas Gutes daraus entstehen. Vielleicht wird man später auf diese Phase zurückblicken als einen Moment, in dem unsere Demokratie einen wichtigen Entwicklungsschritt gemacht hat; einen Moment, in dem ein Reinigungsprozess stattgefunden hat. Endlich konnte die Justiz frei arbeiten und kriminelle Machenschaften im politischen System ans Licht bringen, die bis zu jenem Moment unbehelligt passieren konnten. Daraus könnte beispielsweise ein Transparenzgesetz entstehen, das sich international sehen lassen kann.

Egal, wie die Weichen nun gestellt werden: Die Freiheit der Justiz, für die die Grünen bisher garantiert haben, muss gewahrt bleiben. Staatsanwälte müssen weiter ohne Einschüchterungsversuche arbeiten können. Die jüngsten Erkenntnisse lassen vermuten, dass es noch viel zu untersuchen gibt. Diese Ermittlungsarbeit muss weiter unbehelligt stattfinden können, damit all das, was nun passiert, es wert gewesen sein wird. (Martin Kotynek, 8.10.2021)