Alexander Schallenberg wird nach dem Rückzug von Sebastian Kurz wohl der neue österreichische Bundeskanzler werden.

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Ein treuer Gefolgsmann von Sebastian Kurz wird sein (vermutlich zeitlich begrenzter) Nachfolger im Kanzleramt: Alexander Schallenberg. Der erfahrene Diplomat war zunächst Außenminister in der Übergangsregierung unter Brigitte Bierlein und auch das einzige Mitglied, das in die neue Regierung Kurz übernommen wurde. Schallenberg verdankt also seine Karriere in einem sehr hohen Maß Sebastian Kurz.

Er denkt auch in sehr vielen politischen Fragen so wie Kurz und hat auch im entspannten, eher privaten Kreis immer erkennen lassen, dass er ihn für einen außergewöhnlichen Politiker hält. Wenn es um die Migrationspolitik geht, ist Schallenberg voll auf Linie und ließ sich im Zusammenhang mit der Frage, ob aus dem griechischen Lager Moria Kinder ausgeflogen werden sollten, zu der Formulierung "Geschrei um die Verteilung" hinreißen.

Sein Mantra in der Flüchtlingsfrage ist identisch mit dem von Kurz vorgegebenen: Österreich habe schon genug humanitäre Hilfe geleistet, die Vorwürfe einer unmenschlichen Haltung seien ungerecht, und vor allem dürfe sich "2015" (die Flüchtlingswelle, Anm.) nicht wiederholen. In einem Profil-Interview bezeichnete er sich als "Überzeugungstäter" in der Migrationsfrage.

Auf Kurz-Linie

Auch was das Verhältnis zu den immer mehr ins Autoritäre abgleitenden EU-Mitgliedern wie Ungarn oder Polen angeht, ist Schallenberg auf Kurz-Linie: Man solle zwar auf die Aushebelung des Rechtsstaats etc. hinweisen, aber jedenfalls nicht die Brücken zu einem Regime wie dem von Viktor Orbán abbrechen: "Da schreien wir nicht einfach im Chor mit. Ich halte das für besser, mit jemandem das Gespräch zu suchen, als sich die Dinge nur zuzurufen." Er hoffe, dass man in Budapest "in sich geht und nachdenkt" – was aber bekanntlich nicht passiert ist, im Gegenteil.

Auch in der Haltung zu Israel ist Schallenberg voll auf Kurz-Linie, er stimmte ohne weiteres dem Hissen der israelischen Flagge auf dem Kanzleramt zu.

In der Frage des Beitritts der "Westbalkanstaaten" wie Serbien, Bosnien oder Montenegro hat sich Schallenberg besonders engagiert, hier etwas mehr als sein Kanzler.

Innenpolitisch ist der Diplomat (schon sein Vater war Diplomat, nämlich Botschafter und Generalsekretär des Außenamts) bisher nur wenig in Erscheinung getreten. Man kann davon ausgehen, dass er hier sehr intensiv auf den Rat von Sebastian Kurz hören wird.

Was den Umgang mit dem grünen Koalitionspartner betrifft, so werden Schallenbergs diplomatische Erfahrung, seine angenehmen Umgangsformen und eine gewisse Mäßigung im Umgangston zweifellos von Vorteil sein. Manche Gesprächspartner entdecken an ihm aber eine leicht zynische Seite.

Eine untadelige Persönlichkeit

Von der Papierform her ist Schallenberg zweifellos jene "untadelige Persönlichkeit", die Grünen-Chef Werner Kogler als Ersatz für Kurz verlangte. Aber natürlich ist es klar, dass er keinen Zentimeter vom Weg seines Parteichefs abweichen wird.

Alexander (Graf) Schallenberg ist der erste Kanzler aus einer ehemals adeligen Familie seit Kurt Schuschnigg, der Österreich von 1934 bis 1938 katholisch-autoritär regierte. Das alte Adelsgeschlecht (seit 1190) ist im oberösterreichischen Mühlviertel zu Hause. Schallenberg wurde 1969 in Bern geboren – sein Vater war dort auf Botschafterposten – und kam bereits mit 20 Jahren ins Außenamt. Er wuchs in Indien, Spanien und Frankreich auf. Von 1989 bis 1994 studierte er Rechtswissenschaften in Wien und Paris, danach Europäisches Recht am prestigereichen Europacollege in der belgischen Stadt Brügge.

Sein erster Auslandsposten war auch in der österreichischen EU-Vertretung in Brüssel, dann war er Pressesprecher von Außenministerin Ursula Plassnik und von ihrem Nachfolger Michael Spindelegger. Journalisten lernten ihn als kooperativen, diskreten Gesprächspartner kennen.

Sein eigentliches Spezialgebiet ist die EU-Politik und die strategische Planung. Seine Verbindung mit Kurz stammt aus der Zeit, als dieser Außenminister war, wo er sich begeistert über ihn äußerte: Er habe selten ein solches politisches Talent erlebt.

Kurz beförderte ihn zum Leiter der strategischen Planung und nun eben zum Kanzler. Schallenberg war die längste Zeit parteilos, trat aber zuletzt in die ÖVP ein. Er wird aufs Engste mit dem nunmehrigen ÖVP-Klubobmann Sebastian Kurz zusammenarbeiten. (Hans Rauscher, 9.10.2021)