Gilt als Phänomen: SPD-Vize Kevin Kühnert.

Foto: NDR/Lucas Stratmann

Irgendwann braucht es in der unendlichen Abfolge von Interviews, Reden und Strategiebesprechungen – in all dem, was man also Politik nennt – eine Standortbestimmung. Sie habe es so verstanden, sagt eine Mitarbeiterin zu SPD-Vize Kevin Kühnert: "Du willst mehr Gemeinwohl-Kevin sein, weniger Hoffnungsträger-Kevin."

Dabei hätte es für den ehemaligen deutschen Juso-Chef noch passendere Bezeichnungen gegeben: "Strategie-Kevin" oder "Macht-Kevin". Diese werden in der sechsteiligen NDR-Politdoku Kevin Kühnert und die SPD (abzurufen in der NDR-Mediathek) nicht explizit ausgesprochen. Aber sie sind omnipräsent.

Drei Jahre lang wurde Kühnert für die Doku begleitet, was ungewöhnlich ist. Zu Beginn war er Juso-Chef und 29 Jahre alt. So viel Aufmerksamkeit wünscht sich so mancher Minister – vergeblich.

Doch Kühnert gilt als Phänomen. Was ihn antreibt, wie er tickt, wie er lebt, das bleibt im Dunkeln. Dennoch ist das Werk wegen seiner Einblicke in die Politik sehenswert. Schön sind diese meist nicht: viel Stress, viel Handy, kahle Büros, Kartoffelsalat an der Basis.

Man staunt über den Einfluss des Parteilinken, der die deutlich älteren Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans coacht, um sie an die Macht zu bekommen und Olaf Scholz auszubremsen. Und man staunt noch mehr, wie Kühnert dann beidreht, als Scholz doch Kanzlerkandidat wird.

"Ich brauch ein Frühstück mit Olaf", sagt er zu seinem Mitarbeiter. Jetzt sind Kühnert und Scholz, die zwei Rivalen, aufgestiegen. Der Ex-Juso sitzt im Bundestag, Scholz wird vermutlich Kanzler. Das bietet reichlich Stoff für eine Fortsetzung der Doku. (Birgit Baumann, 10.10.2021)