"Wenn du Gott zum Bluten bringst, dann glauben die Menschen nicht mehr an ihn! Und wenn erst Blut im Wasser ist, dann kommen die Haie angeschwommen!", so ein Zitat aus dem Film "Iron Man 2". Wenn das politische Alphatier im Rudel der verschiedenen politischen Bewegungen angeschlagen ist, sind schon die nächsten in Warteposition, um seinen Platz einzunehmen. Fressen und gefressen werden, so sieht Weiterentwicklung im politmedialen Kontext aus und so hat die "Evolution Volkspartei" nun scheinbar ihre eigenen Kinder gefressen. Eine Ironie des Schicksals. Alle nibelungenartigen Treueschwüre waren nun am Ende nicht viel wert. Die alte ÖVP hat sich im metaphorischen Sinne vom politischen Hagen von Tronje und “Siegfriedmitterlehnerabmontierer“ in Gestalt von Sebastian Kurz im Hintergrund schnell losgesagt. Im Lauf der Geschehnisse bleiben die Initiatoren der Revolution, wie es anmutet, nun auf der Strecke. Abstrahiert könnte man behaupten, dass anfänglich positive Ideen der Revolutionierung und Optimierung der alten ÖVP nun ins Negative umschlagen, sich selbst aufheben und am Ende selbst zerstören. Karma hat nahezu einen Sinn.

Evolution Volkspartei

Kurz war einst mit seiner Buberlpartie 4.0 angetreten, um zuerst die ÖVP zu perfektionieren und in der Folge Österreich zu verändern. Er und seine Sympathisanten wie Gernot Blümel, der Realisator des Projektes “Evolution Volkspartei“, stellten einen jungen, teilweise gebildeten und erfolgshungrigen Typus dar, der mit aufgesetzt-charmantem Gehabe so manche Schwiegermutter in Entzücken versetzen konnte. Aufgetauchte Chats und Nachrichten der internen Kommunikation eliminierten in Kürze den Nimbus, der so lange kultiviert und verehrt wurde. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, ganz in Einklang mit der christlich-sozialen Wertegemeinschaft. Am Ende fehlte nur noch die Selbstgeißelung, die nun der Kanzler nach außen hin wirkungsvoll durch seinen Rücktritt vollzogen hat, um gleichzeitig alle Fäden als Klubobmann weiterhin in seinen Händen zu behalten. Nicht als Roberto Blancos' Puppenspieler von Mexiko, sondern jener der Volkspartei. Ob dieser Plan wie das “Projekt Ballhausplatz“ aufgehen wird, wird man sehen.

Kurz ist nicht weg, er bleibt Klubobmann - und an der Macht.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Des einen Leid ist nicht des anderen Freud

Doch das Leid der einen sollte nie zur Freude anderer führen. Die Demonstration von Macht, Selbstsicherheit und Dominanz zieht viele Menschen und Wähler an. Emotionen zuzulassen und zu zeigen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern im Gegenteil ein Indikator für Stärke. So gesehen hat Kurz bei seinen letzten TV-Auftritten im Rahmen der Vorwürfe rund um seine Person, jenseits seines ansonsten brillantin-elitären Habitus, Facetten seiner wahren Seele aufblitzen lassen. Dass das Zeigen von Unzulänglichkeiten, wie wir sie ausnahmslos alle haben, ein positiver Faktor ist, haben leider große Teile des politmedialen Komplexes in unserem schönen Land bis heute noch immer nicht verstanden und so entstehen und wachsen immer neue menschliche Fassaden, die durch den rauen Wind der Realität weggeweht werden. Die Natur ist unbarmherzig gegenüber mangelnder Authentizität und Reife. So gesehen brauchen sich seine Konkurrenten nicht freudig die Hände reiben, denn die Zukunft verlangt nach Substanz und nicht nach einer durch Berater kreierten Monstranz der "Werte" oder der - frei nach Pamela Rendi-Wagner -"Haltung".

Die Gier nach Macht

Die SPÖ-Chefin ging im Ringen um die Macht so weit, sich sogar mit Herbert Kickl, dem Gottseibeiuns der Sozialdemokratie, auf ein Packl zu hauen und auf diese Weise alle Vorsätze bei der ersten Chance auf ihren Aufstieg über den Haufen zu werfen. Das erhöht die Glaubwürdigkeit beim Wähler. Wenn es um die Aussicht auf die Futtertröge der Macht geht, entzaubert sich auch die Opposition, egal ob noch so theatralisch von Werten, Haltung oder was auch immer gesprochen wird. Wie beschreibt es der Volksmund so schön "Die Tröge bleiben dieselben - nur die quiek-fidelen Borstentierchen wechseln", um es etwas abgeschwächter zu formulieren. Abschließend bleibt nur die Frage, inwiefern die Politik ein Spiegel von uns selbst ist. (Daniel Witzeling, 11.10.2021)