Wahlbeobachter sehen im großen Sicherheitsaufgebot einen Grund für die geringe Beteiligung an den Parlamentswahlen im Irak.

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Bagdad – Der Frust vieler Iraker über die politische Elite des Landes hat die Beteiligung bei der Parlamentswahl am Sonntag auf ein Rekordtief fallen lassen. Nach einer vorläufigen Auswertung gaben nur 41 Prozent der Wähler ihre Stimme ab, teilte die irakische Wahlkommission in Bagdad Montagfrüh mit. Das ist die geringste Beteiligung seit dem Sturz des Langzeitherrschers Saddam Hussein im Jahr 2003. Bereits 2018 war sie mit 44,5 Prozent auf den bis dahin niedrigsten Stand gesunken.

Beobachter bewerten das Ergebnis auch als Abstimmung gegen die herrschenden Parteien. Der ölreiche Irak steckt in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Ministerpräsident Mustafa al-Kadhimi hatte die Abstimmung nach Massenprotesten vorgezogen. Diese waren im Oktober 2019 ausgebrochen und richteten sich gegen die grassierende Korruption, die schwache Wirtschaftslage und die schlechte Infrastruktur.

Sicherheitsaufwand schreckte ab

Aktivisten der Protestbewegung hatten zu einem Wahlboykott aufgerufen. Viele Iraker haben nur noch wenig Vertrauen in die Politik. Sie blieben der Abstimmung fern, weil sie sich von der Wahl keine Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse erwarten.

Wahlbeobachter führten die geringe Beteiligung auch auf das Großaufgebot an Sicherheitskräften zurück. Nach offiziellen Angaben waren mehr als 250.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um Zwischenfälle zu verhindern. Der Sicherheitsaufwand scheine die Menschen "ein bisschen abzuschrecken", sagte die Leiterin der EU-Wahlbeobachter, die grüne Europaabgeordnete Viola von Cramon.

Irakische Streitkräfte nehmen IS-Anführer fest

Unterdessen nahmen irakische Streitkräfte nach Regierungsangaben einen Stellvertreter des vor zwei Jahren umgekommenen Anführers des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, fest. Es handle sich um Sami Jasim Mohammed al-Jaburi, teilte Ministerpräsident Mustafa Al-Kadhimi am Montag auf Twitter mit. Er sei für die Finanzen des IS zuständig. Irakische Sicherheitskräfte hätten ihn bei einem "komplexen Einsatz" im Ausland gefasst. Wo und wann der Einsatz stattfand, sagte Kadhimi nicht. Das Medienbüro der irakischen Sicherheitskräfte veröffentlichte parallel ein Foto, das Al-Jaburi in gelber Häftlingsuniform mit zerzausten Haaren und weißem Bart zeigen soll.

Al-Jaburi war Stellvertreter und enger Vertrauter des IS-Chefs Baghdadi, der im Herbst 2019 in Syrien bei einem Einsatz von US-Spezialkräften getötet wurde. Nach US-Informationen übersah er die Finanzen der Terrormiliz und deren Geschäfte mit Öl, Gas, Altertümern und Bodenschätzen. Das US-Finanzministerium hatte ihn schon 2015 als Verantwortlichen für die Geldgeschäfte des IS benannt. Die USA hatten ein Kopfgeld in Höhe von fünf Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.

Der IS hatte vor einigen Jahren große Gebiete im Irak und in Syrien beherrscht und dort ein Kalifat ausgerufen. Die Islamisten sind dort mittlerweile militärisch besiegt, aber weiter aktiv und verüben Anschläge. (APA, 11.10.2021)