Wenn eine Fichte stirbt, bildet sich eine kahle Stelle unterhalb des Wipfels, während der Baum rund um den Wipfel noch einmal kräftig austreibt. Das sieht aus, als hätte man dem gestressten Baum, der schon die Nadeln verliert, noch ein saftiges Christbäumchen aufgesetzt. Den bereits kahlen Bereich darunter nennt man Fichtenfenster, das grüne Büschel darüber Angsttrieb.

Damals, 1984, als das Waldsterben vom Schwefel der Industrieabgase dramatische Rodungen zur Folge hatte, erklärte mir der österreichische Pionier der Klimaforschung Anton Krapfenbauer von der Wiener Uni für Bodenkultur die Zusammenhänge mit Vehemenz – und fügte hinzu: "Zuerst stirbt der Wald, dann der Mensch, aber dann kann ja wieder alles wuchern." Die damalige Bedrohung war dramatisch, aber man brachte die Situation schnell ins Lot, indem man Schwefelfilter auf Schornsteinen montierte.

Gesamtgesellschaftliche Herausforderung

Heute ist die Ursache nicht mehr ein regional übersäuerter Boden, sondern eine global überhitzte Erde durch zu viel CO2 in der Atmosphäre. Man kann es aber nicht wegfiltern, man muss es von vornherein vermeiden. Filtern ist ein rein physikalisch-technokratischer Vorgang. Vermeiden ist hingegen eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

Wir sind heute in einer ganz anderen Situation als im Herbst 1984. Es wird nicht gelingen, CO2-Reduktion allein durch technische Lösungen zu erzwingen, es bedarf auch struktureller Maßnahmen, die Vermeidung bedeuten und mitunter auch auf Verzicht hinauslaufen. Heißt das auch, wir müssen aufs Autofahren verzichten? Nein, man muss die Autos klüger einsetzen, damit wir nicht so überbordend viele davon brauchen, um nicht so unmenschlich viel Zeit darin zu verbringen. (Rudolf Skarics, 22.10.2021)