34,5 Stunden sind die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der 15- bis 24-Jährigen, laut Statistik Austria. Zwei Stunden mehr, also 36,4, arbeiten die 25- bis 34-Jährigen. Genauso viel wie die 35- bis 44-Jährigen.
Foto: APA/dpa/Federico Gambarini

Alte Welt

Die Arbeitswelt vieler älterer Mitarbeiter ist geprägt vom sogenannten Präsentismus. Das Credo, das ihnen viele Chefs jahrelang vorlebten: Wer lange den Bürosessel drückt, ist lange produktiv, erbringt gute Leistung. Durch die strengen Hierarchien ergab sich daraus in der Vergangenheit meist die unausgesprochene Regel: Man bleibt so lange, wie der Chef bleibt. Selbst wenn man nichts mehr zu tun hat, tut man geschäftig. Denn nur, wer 60 Stunden arbeitet, sei jemand in der Firma, werde gesehen.

Diese Gedanken sind nicht verwunderlich: Immerhin zählen laut Umfragen Status und Gehalt zu den Motivationstreibern der meisten Babyboomer. Je älter die Arbeitnehmer, desto mehr Überstunden machen sie. Laut dem deutschen Überstundenreport bleiben Beschäftigte über 60 Jahre im Schnitt 3,7 Stunden länger pro Woche, die sogenannte Generation Z nur halb so lang. Die Millennials liegen mit 2,5 Plusstunden auch deutlich darunter.

Gesehen zu werden ist tatsächlich ein Argument für den Präsentismus. Erhebungen zeigen, dass jene Mitarbeitende eher befördert werden, die Führungskräfte öfter physisch sehen. Auch im Corona-Lockdown wurden Homeoffice-Arbeiter seltener mit einer höheren Position betraut. Dabei macht der Präsentismus in Form digitaler Dauererreichbarkeit auch vor dem Homeoffice nicht halt.

Auch wenn das ein gewichtiges Argument für eine Vollzeitstelle ist, benötigt es in einer hybriden Arbeitswelt Konzepte, die eine neue Kultur fördern. Weg von der alten Welt, in der Arbeitnehmer möglichst wenig Freizeit haben und Sesseldrücker bevorzugt werden. Hin zu einer neuen Welt, in der Belastungen ernst genommen werden. Denn Präsentismus resultiert vor allem in Mehrstunden, 40-plus-Wochenstunden oder Managern, die sich damit brüsten, nur vier Stunden zu schlafen. Das ist nicht gesund und kann ins Burnout führen. Die Zahl jener, die (bald) ausgebrannt sind, steigt.

Laut Umfragen zur Wunscharbeitszeit wollen die meisten ihre Stunden reduzieren. Auch hier gibt es Altersunterschiede laut einer Xing-Studie: Unter 35-Jährige wünschen sich eine Verkürzung um drei Stunden – doppelt so viel wie über 55-Jährige. Anekdotische Evidenz legt aber nahe: In der Pandemie merkten auch Angestellte der älteren Generation, die im Homeoffice waren, wie praktisch es sein kann, flexibel statt klassisch nine to five zu arbeiten. Oder jene, die in Kurzarbeit waren, erkannten, dass weniger Stunden Vorzüge haben, und wollen reduzieren oder gar früher in Pension. Darin liegt auch eine Chance für die Jungen: Reduzieren viele ältere Kollegen ihre Arbeitszeit, können neue Stellen geschaffen werden.

Neue Welt

Der Achtstundentag und die 40-plus-Stunden-Woche sterben aus. So viel ist klar, wenn es nach den Jungen geht. Immerhin wünschen sich 85 Prozent der Jugendlichen flexible Arbeitszeiten, den Achtstundentag wollen nur vier von zehn. Das ergab eine Studie der Leitbetriebe Austria und Zukunft Lehre Österreich im Frühjahr. Flexible Arbeitszeiten: Das heißt, früher zu beginnen und früher aufzuhören oder erst gegen Mittag anzufangen und dafür länger zu bleiben. Oder die Stunden als Viertagewoche aufzuteilen, länger Urlaub zu nehmen. Das, so die Vorstellung, mache auch zufriedener – und aus betriebswirtschaftlicher Sicht letztlich auch produktiver und wettbewerbsfähiger. Studien zeigen aber auch: Flexibles Arbeiten führt meist zu Mehrstunden.

Firmen wollen gerade in Zeiten des Wandels jene Kandidaten, die mehr sind als austauschbare Aufgabenabarbeiter, vielfältige Interessen haben, über den Tellerrand schauen. Gleichzeitig stecken sie bei der Arbeitszeit oft in ihrer starren Sichtweise fest. Die Betriebe verunmöglichten ihnen ihre Wünsche, sagen viele Junge. Seit Jahren fordern sie eine gute Work-Life-Balance. 30 Wochenstunden oder weniger sind für die meisten die ideale Arbeitszeit. Sie arbeiten lieber Teilzeit (am besten flexibel) und verzichten dafür auch auf Geld – weil ihnen der Ausgleich wichtig ist. Der Job soll die Sicherheit dafür bieten und es ihnen ermöglichen, sich zu verwirklichen und weiterzuentwickeln, legen etliche Erhebungen nahe. Sich hochzuschuften ist für viele unattraktiv. Sie sehen an ihren Eltern, wie sehr sich die Generation der Babyboomer für den Job aufopfert, sich gar ins Burnout gearbeitet hat. Sie wollen es anders machen. Und dabei auch Zeit für andere Dinge haben als nur zu arbeiten und sich dann am Wochenende davon zu erholen – Selbstverwirklichung abseits des Jobs ist genauso wichtig.

Doch die eingangs zitierte Studie zeigt vor diesem Hintergrund überraschende Resultate: Obwohl mehr als zwei Drittel der Jungen Leistungsdenken kritisch sehen, wollen rund 80 Prozent mit ihrer Arbeit die "Erwartungen des Chefs übertreffen". Fast zwei Drittel sind bereit, mehr zu arbeiten, als nötig ist. Was heißt das also? Man könnte meinen, die Work-Life-Balance ist doch nicht so möglich wie gewollt – vor allem für jene, die hinaufwollen. Eine schwindende Arbeitsmoral kann den Jungen nicht pauschal unterstellt werden. Was es jetzt braucht, sind individuell anpassbare Arbeitszeitmodelle. Und Vertrauen in die Jugend: Ihr sollte nicht weniger Leistungsbereitschaft nachgesagt werden, weil sie Forderungen an eine menschenfreundlichere Arbeitswelt stellt. (set, 6.1.2022)