Einen grünen Anstrich verpassen sich Gebäude seit Jahren: Mit Zertifizierungen wie etwa Breeam, DGNB oder Leed wollen ihre Erbauerinnen und Erbauer zeigen, dass die Häuser besonders nachhaltig und energiesparend sind. Mit Erfolg: "Wer keine Zertifizierung hat, ist bei einem neuen Bürogebäude verloren", sagt Georg Fichtinger, Investmentexperte bei CBRE. Allerdings gibt es mittlerweile einen undurchsichtigen Zertifizierungsdschungel. Was genau dahintersteckt – tatsächliche Nachhaltigkeit oder bloß Greenwashing –, bleibt oft im Dunklen.

Ein echter "Gamechanger": ...
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Dabei sind Gebäude einer der großen Hebel im Kampf gegen die Klimakrise: Immerhin sind sie für 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und verbrauchen obendrein 40 Prozent der Energie. Diese Verantwortung habe die Branche aber lange nicht ernst genommen, sind sich Experten einig.

Sechs Ziele

Jetzt bleibt ihr nichts anderes übrig: Seit einigen Monaten ist die EU-Taxonomieverordnung in Kraft, die Nachhaltigkeit im Gebäudesektor nicht nur vorschreibt, sondern auch ganz genau definiert. Sechs Nachhaltigkeitsziele gibt es, zwei davon sind schon ausformuliert, nämlich die Punkte Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel. Die übrigen technischen werden bis Ende des Jahres spezifiziert.

Die Vorgabe lautet: Eine nachhaltige Immobilie muss zu mindestens einem der Ziele einen substanziellen Beitrag leisten – und darf keines der anderen Ziele schädigen. Das Schlagwort, mit dem die Verordnung zusammengefasst wird, lautet ESG, was eine Abkürzung für "environment, social, governance" ist. Und diese Abkürzung ist in der Branche in den letzten Monaten angekommen.

Für sie bedeutet die EU-Verordnung: Wer sich in Zukunft das Nachhaltigkeitsmascherl umhängen will, muss dafür auch Nachweise liefern. Die großen Fonds müssen ab 1. Jänner 2022 neben dem Jahresabschluss auch ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten in einem Bericht offenlegen.

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... Die EU-Taxonomieverordnung hat zum Ziel, Kapitalflüsse in der EU nachhaltiger zu gestalten.
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"Das ist ein echter Gamechanger und eine Riesenchance", urteilt Immobilienexpertin Carmen Dilch, die sich wissenschaftlich mit der Materie befasst. Neben den bisherigen Überlegungen der Branche – nämlich wie viel Rendite ein Investment abwirft und wie hoch das Risiko ist – rückt eine weitere in den Fokus: Ist die Immobilie EU-Taxonomie-konform?

In manchen Ländern – bisher aber nicht in Österreich – werden sogar Sanktionen überlegt, wenn nicht nachhaltig genug gebaut wird. Das wird auch das bekannte Spiel aus Angebot und Nachfrage regeln, ist Dilch überzeugt: Gebäude, die die ESG-Richtlinien nicht erfüllen, würden bald deutlich weniger nachgefragt und nur noch mit Preisabschlag verkauft werden können.

Herausforderung Bestand

Das macht sich jetzt schon in der Planung bemerkbar: Keine fossilen Energieträger, grüne Dächer, Geothermie, Photovoltaik und viele Bäume – das sei bei Gewerbeimmobilien früher zwar auch schon Thema gewesen, sagt Dilch. Aber letztendlich sei die Umsetzung immer an den Kosten gescheitert.

Franz Pöltl, Investmentexperte bei EHL Immobilien, hat bereits einige Transaktionen unter dem Vorbehalt, dass der Klimaaktiv-Gebäudestandard erreicht wird, begleitet, "sonst geht die Transaktion nicht über die Bühne".

Nicht zuletzt würden auch die Banken bei Developern zunehmend nachfragen, ob das geplante Projekt energieeffizient und nachhaltig ist. "Lange ging es nur darum, ob ein Projekt profitabel ist", sagt Pöltl. Das sei vorbei.

Während es also beim Neubau in Richtung Zukunft geht, bleibt der Bestand eine Herausforderung. "Das wird noch dauern", sagt Pöltl – und man wird auch nicht jedes alte Gebäude ESG-konform adaptieren können. (Franziska Zoidl, 13.10.2021)