Für ihn setzt es Vogelpfeifen und Schlagbretter: Teodor Currentzis.

Foto: Muravyeva

Wien – Ist er bloß ein Blender oder doch ein Wunderwuzzi? Zerstörer oder Heilsbringer? Derart kontroversiell wurde nicht nur über einen österreichischen Ex-Kanzler diskutiert, sondern auch über einen griechisch-russischen Dirigenten, der zuletzt bei den Salzburger Festspielen die Gemüter spaltete (wobei eine soziologisch interessante Frage wäre, wer beim einen und beim anderen zu dieser oder jener Ansicht neigt).

Von einem "Extremisten der Eindringlichkeit" hat Bernhard Neuhoff von BR-Klassik im Sommer mit Blick auf Teodor Currentzis gesprochen und dies letztlich positiv gedeutet. Im Wiener Konzerthaus kann man sich in dieser Saison in fünf Konzerten eine Meinung über den derzeitigen Chefdirigenten des SWR-Symphonieorchesters und Gründer des Music-Aeterna-Orchesters bilden.

Jubel vorprogrammiert

Mit Letzterem setzte er sich zunächst für Alexey Retinsky ein, der laut dem Dirigenten "eine völlig neue Art von Musik" schreibt – ein Urteil, dem man nach der österreichischen Erstaufführung von Anapher nicht unbedingt folgen muss. Handwerklich gediegen, lässt er den riesigen Orchesterapparat flirren und beben, während sich die Funktion von 110 Vogelpfeifen (bekannt aus der Strauss-Polka Im Krapfenwaldl) und drei Schlagbrettern nicht ohne weiteres erschließt. Dass der ursprüngliche Plan aufgegeben wurde, das Stück direkt in die folgende Mahler-Symphonie übergehen zu lassen, leuchtet ein – das wäre in keiner Weise schlüssig gewesen.

Der große Jubel nach diesem Werk und dann nach der Fünften ist bei Currentzis schon längst Routine. Alles wurde recht akkurat und deutlich umgesetzt, doch vermochte die Musik wenig zu berühren oder aufzuwühlen, vielleicht weil der Mahler-Ton (etwa bei den weiten Streicherglissandi) nicht so leicht zu treffen ist, vielleicht auch weil sie selbst schon voller Intensität und Zuspitzung ist und dem Interpreten dafür wenig Raum lässt.

Kein Wunder also, aber auch null Blendwerk. (daen, 12.10.2021)