Das Konferenzzentrum im Stadtteil Ouaga 2000, in dem der Prozess des Jahres in Burkina Faso stattfindet, ist seit Montagfrüh weiträumig abgesperrt. Zuschauer, Zeugen und Journalisten, die die Verhandlung beobachten wollen, werden genau überprüft. Ton- und Bildaufnahmen aus dem Sitzungssaal sind verboten. Dieser ist kurz nach 9 Uhr Ortszeit voll besetzt. Das Interesse ist groß, zu erfahren, wie Burkina Fasos einstiger Präsident Thomas Sankara am 15. Oktober 1987 ums Leben kam.

Thomas Sankara als Präsident von Burkina Faso (Archivbild 1986).
Foto: AFP / Alexander Joe

Als die Namen der 14 Angeklagten vorgelesen werden, sitzt der bekannteste von ihnen jedoch nicht auf der Anklagebank: Blaise Compaoré, der auf Sankara folgte und bis 2014 an der Macht war. Er gilt als Hintermann des Mordes. Seine Anwälte hatten bereits vergangene Woche angekündigt: Weder sie noch ihr Mandant würden teilnehmen, weil dieser nie zu einer Vernehmung vorgeladen worden sei. Auch sei kein faires Verfahren zu erwarten.

In Ouagadougou hatten besonders Sankara-Anhänger sowie die junge Generation, die den einstigen Präsidenten nie selbst erlebt hat, dem Verfahren entgegengefiebert. "Der Prozess ist historisch. Nach 34 Jahren werden wir endlich erfahren, wer hinter Sankaras Tod steckt", sagt Serge Bayala vom Komitee Gedenkstätte Thomas Sankara. "Er zeigt: Auch unser Held hat ein Recht auf Gerechtigkeit."

Zwischen Verehrung und Kritik

Nach Einschätzung Bayalas habe Burkina Faso zwischen Sankaras Machtübernahme am 4. August 1983 und seiner Ermordung gut vier Jahre später die größten Fortschritte gemacht. Der Panafrikanist und Marxist setzte sich früh mit Baumpflanzaktionen gegen den Klimawandel ein, stärkte Frauenrechte und lokale Strukturen. In Grundschulen wurde der Unterricht in lokalen Sprachen anstatt Französisch eingeführt. Er warb für heimische Produktion, um die Abhängigkeit vom Weltmarkt zu verringern – vor allem zum Ärger der einstigen Kolonialmacht Frankreich. Kritiker werfen ihm bis heute vor, er habe die Wirtschaft zum Erliegen gebracht.

Der Franzose Bruno Jaffré, der Sankara kurz vor seiner Machtübernahme im Juli 1983 zum ersten Mal traf und daraufhin sein Biograf wurde, erinnert sich aber auch an eine gewisse Ermüdung in der Bevölkerung. "Mich hat beeindruckt, dass er die Probleme gleichzeitig angehen wollte." Vier Jahre später sei klar gewesen, dass die Dinge nicht allzu gut liefen, sagt er. Trotzdem sei die Ermordung am 15. Oktober 1987 eine Überraschung gewesen. Sankara hatte Mitglieder des Nationalen Revolutionsrates zu einem Treffen gerufen. Als Schüsse zu hören waren, verließen die Teilnehmer den Raum und wurden bis auf einen erschossen.

Verhaftungen und Folter

In den Tagen und Wochen danach wurden Sankara-Unterstützer verhaftet und gefoltert, erinnert sich Jaffré. Verbunden ist damit vor allem Sankaras Nachfolger Blaise Compaoré, der sich 27 Jahre an der Macht hielt. Erst wochenlange Proteste zwangen den heute 70-Jährigen am 31. Oktober 2014 zum Rücktritt und ins ivorische Exil.

Wenn Serge Bayala heute, zu Prozessbeginn, mit Jugendlichen spricht, hört er jedes Mal: Es sei Blaise gewesen, der Sankara getötet habe. "Selbst wenn das noch gar nicht bewiesen ist." Wäre dieser vor Ort, würde das Interesse am Prozess noch größer sein. "Alle würden ihm zuhören wollen." An Signalkraft verliert das Verfahren dennoch nichts. Es gilt auch deshalb als historisch, weil es eine Warnung an alle Präsidenten des Kontinents ist: Auch sie werden zur Rechenschaft gezogen.

Nach Einschätzung von Jaffré wird Blaise Compaoré, der große Abwesende und angebliche Drahtzieher des Mordes, von der Elfenbeinküste geschützt.

Der Sankara-Biograf erhofft sich vom Prozess, mehr über die Rolle Frankreichs zu erfahren. "Genau wissen wir es noch nicht. Es gibt aber mehrere Aussagen dazu, dass Frankreich gewusst hat, was passiert." (Katrin Gänsler aus Ouagadougou, 11.10.2021)