Staatspräsident Miloš Zeman hält sein Land in Atem.

Foto: EPA/Sulejmanovic

Bild nicht mehr verfügbar.

Er selbst wird indes behandelt.

Foto: AP / Josek

Wie geht es weiter? Wer leitet aus den Wahlen einen Regierungsauftrag ab? Und wer erhält einen solchen vom Staatsoberhaupt? So lauten in parlamentarischen Demokratien die brennenden Fragen, sobald eine neue Volksvertretung gewählt ist.

Tschechien, wo die Wahlen am Freitag und Samstag über die Bühne gingen, ist da keine Ausnahme. Allerdings kommt dort nun eine zentrale Frage hinzu, die für beträchtliche Nervosität sorgt: Kann Präsident Miloš Zeman, der am Sonntag in die Intensivstation des Prager Militärkrankenhauses eingeliefert wurde, seine gesetzlich festgelegte Rolle bei der Regierungsbildung ausüben? Und vor allem: was, wenn nicht?

Zunächst zum Gesundheitszustand des Staatsoberhaupts selbst: Der 77-jährige Zeman leidet an Diabetes und einer Erkrankung des peripheren Nervensystems. Seit Monaten nimmt er Termine nur im Rollstuhl wahr. Erst im September hat er acht Tage im Spital verbracht.

Ärztliche Schweigepflicht

Was nun der Grund für die akute Verschlechterung seines Zustands war und welche Prognose es für den Präsidenten gibt, darüber wollte der Direktor der Klinik mit Hinweis auf seine ärztliche Schweigepflicht am Sonntag keine Auskunft geben.

Auch am Montag hieß es lediglich, Zemans Zustand sei "stabil". Seither wird im Land darüber gestritten, ob das öffentliche Interesse gerade in diesem Fall nicht höher stehen müsste als der Persönlichkeitsschutz des Patienten.

In einer anderen zentralen Frage hingegen herrscht weitgehend Klarheit – und zwar dank Artikel 66 der tschechischen Verfassung, der dieser Tage in aller Munde ist. Er legt fest, auf wen die Kompetenzen des Staatsoberhaupts übergehen, wenn dessen "Amt frei wird" oder wenn der Präsident "sein Amt aus schwerwiegenden Gründen nicht ausüben kann": Die wichtigsten Vollmachten gehen dann zum Teil auf den Premierminister, zum Teil auf den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses über.

Keine "Selbsternennung"

Die Aufgabe, einen Premier zu ernennen – und auf dessen Vorschlag die übrigen Regierungsmitglieder –, käme dem Chef der Abgeordnetenkammer zu. Ein amtierender Premier könnte sich also nicht selbst erneut ins Amt hieven. Dass "schwerwiegende Gründe" den Präsidenten an der Ausübung seiner Funktion hindern, müssten beide Parlamentskammern – also Abgeordnetenhaus und Senat – jeweils mit absoluter Mehrheit feststellen.

Abgesehen von der Ernennung der Regierung hat der Präsident in der unmittelbaren Nachwahlzeit eigentlich nur eine einzige verfassungsmäßige Kompetenz: die Einberufung der konstituierenden Sitzung des neuen Abgeordnetenhauses. 30 Tage nach der Wahl tritt dieses aber automatisch zusammen. Und bis dahin bleibt die derzeitige Regierung weiter im Amt.

Sorge vor Pattsituation

Da das alles in der Praxis aber Neuland ist, verwundert die Anspannung im Land kaum. Zumal auch die politische Lage verworren bleibt: Zeman hatte vor der Wahl angekündigt, den Chef der stärksten Einzelpartei zum Premier machen zu wollen. Und das wäre der Milliardär Andrej Babiš, amtierender Regierungschef und Chef der liberal-populistischen Partei Ano.

Das konservative Dreiparteienbündnis Spolu (Gemeinsam) erhielt zwar mehr Stimmen als Ano und will mit einem zweiten Bündnis, jenem aus Piraten und der liberalen Bürgermeisterpartei Stan, eine Regierung bilden. Beide zusammen – respektive alle fünf Parteien zusammen – hätten eine bequeme Mehrheit. Zeman jedoch hat die Wahlbündnisse vorab als "Betrug" bezeichnet.

Somit bestand bereits gleich nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses die Sorge vor einem Patt zwischen einer Mehrheit ohne Auftrag und einem Beauftragten ohne Mehrheit. Zemans Einlieferung in die Intensivstation trägt da nicht gerade zur Beruhigung bei – trotz Artikels 66 der Verfassung. (Gerald Schubert aus Prag, 11.10.2021)