Manchmal muss man auf den Bühnenrand schauen, um zu sehen, was gespielt wird. Der eiligen Angelobung von Kanzler Alexander Schallenberg und seinem Nachfolger als Außenminister wohnten nur wenige ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei. Einer von ihnen war der Kabinettschef im Kanzleramt und engste Vertraute von Sebastian Kurz: Bernhard Bonelli. Es ist ein Symbol mit Wirkkraft tief ins Herz der neuen alten Koalition: Die türkise ÖVP gibt bestimmt nicht klein bei. Kurz ist gegangen, um zu bleiben. So stellt Kurz sich das vor, so sieht das auch Schallenberg.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Alexander Schallenberg (ÖVP), der durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Bundeskanzler angelobt wurde.
Foto: Heribert CORN

Die Vorzeichen für den Neustart dieser Regierung sind also denkbar schlecht. In der türkisen ÖVP hält man Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler für einen Verräter und Umfaller, der Kurz aus dem Amt geputscht hat. Die meisten Grünen sind hingegen weiterhin fassungslos, auf wen sie sich da eingelassen hatten. Doch die türkise Regierungsmannschaft bleibt weitgehend dieselbe, und Kurz sitzt im Schatten des Kanzleramts. Die Fortsetzung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit? Eigentlich kaum vorstellbar.

Schon bisher waren die inhaltlichen Differenzen der beiden Parteien schwer überbrückbar. Das haben etwa die monatelangen nervenzehrenden Verhandlungen über die ökosoziale Steuerreform gezeigt. Doch je weiter die Meinungen auseinanderklaffen, desto besser müssen Verhandlungspartner miteinander können. Kompromisse lassen sich nur finden, wenn jeder bereit ist, auf den anderen zuzugehen – man muss es zumindest bedingt gut meinen miteinander. Das tun Türkise und Grüne wahrlich nicht mehr. Seine erste Ansprache nutzte Schallenberg, um Kurz zu verteidigen und Kogler zu tadeln.

Es ist schwer vorstellbar, dass diese Regierung jetzt in Ruhe weiterarbeitet, als wäre nichts gewesen. Es können bereits vereinbarte Vorhaben beschlossen werden: das Budget, die Steuerreform, vielleicht das längst überfällige Informationsfreiheitsgesetz. Auch in Corona-Fragen kann die Bevölkerung hoffen, dass ÖVP und Grüne an einem Strang ziehen. Dass die Koalition allerdings bis zum Ende dieser Legislaturperiode 2024 hält, würde fast an ein Wunder grenzen – an das selbst in der Volkspartei und bei den Grünen viele nicht glauben.

Bis zur nächsten Wahl hat die Regierung aber einen Auftrag abseits von Beschlüssen: Sie muss Vertrauen zurückgewinnen, bevor sich weite Teile der Bevölkerung angewidert abwenden. Ein Anfang wären Transparenz, offene Kommunikation – und objektive Kriterien für die Vergabe von Inseraten. (Katharina Mittelstaedt, 11.10.2021)