Die Richtung der Diskussion am Montag im Presseclub Concordia schickte Generalsekretärin Daniela Kraus voraus: "Es ist eindeutig notwendig, dass es ein Reset gibt, eine Änderung und eine Neuaufstellung der Finanzierung von Journalismus in Österreich."

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Über Inserate, Förderungen, Vertriebserlöse diskutieren im Presseclub Concordia (von rechts) Max Dasch ("Salzburger Nachrichten"), Moderatorin und Concordia-Generalsekretärin Daniela Kraus, Peter Lammerhuber, (The Innovation Company), Cathrin Kahlweit von der "Süddeutschen Zeitung", Eugen Russ (Russmedia), und Medienforscher Andy Kaltenbrunner.

Foto: Presseclub Concordia / Katharina Schiffl

Wohlwollende Berichterstattung gegen Regierungsinserate: Wie das in Österreich funktioniert, zeigen die jüngst publik gewordenen Chatprotokolle. Wie Journalismus in Österreich mit dem erlittenen Kollateralschaden umgeht, diskutierten am Montag Medienvertreter im Presseclub Concordia.

Die Richtung schickte Daniela Kraus, Concordia-Generalsekretärin, voraus: "Es ist eindeutig notwendig, dass es ein Reset gibt, eine Änderung und eine Neuaufstellung der Finanzierung von Journalismus in Österreich."

Aktuell gab allein die Regierung im Vorjahr gut 47 Millionen Euro für Werbung und Inserate in Medien aus, heuer waren es im ersten Halbjahr knapp 25 Millionen Euro. Zusammen mit öffentlichen Stellen betrugen die Werbeausgaben 2020 rund 300 Millionen Euro. Kritiker sehen darin zumindest die Anregung für ein System der Korruption.

Nicht nachvollziehbares System

"Hier ist ein System über viele Jahre gewachsen, das nicht nachvollziehbar ist", sagt Medienforscher Andreas Kaltenbrunner. Gratiszeitungen würden bevorzugt, jene der Mediengruppe Österreich ganz besonders, wie eine Studie des Medienhaus Wien ergab. Demnach liegen die Gratistitel "Oe24" und "Heute" mit 8,22 beziehungsweise 6,86 Euro pro Leser im Spitzenfeld. DER STANDARD kommt auf 2,43 Euro pro Leser.

"Qualitätsjournalismus gehört hinter eine Bezahlschranke", sagt Mediaagentur-Experte Peter Lammerhuber. "Es kann nicht Aufgabe der Werbewirtschaft sein, guten Journalismus zu finanzieren." Lammerhuber fordert eine Strukturveränderung: "Technische Infrastruktur gehört gefördert in Bezug auf Bezahljournalismus."

Bezahlschranke ist die Lösung

"Die Bezahlschranke ist die Lösung für Medien in der Zukunft", stimmt Eugen Russ von Russmedia zu. "Wir können jammern, dass uns Werbeanteile abhanden kommen, Faktum ist, dass wir Immobilien-, Stellenanzeigen in Print verloren haben. Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, dass wir neue Erlösströme anzapfen." Die Politik sieht Russ in der Pflicht: Jene 300 Millionen Euro Werbeausgaben würden "in Freivergabe nach Gutsherrenart in Freunderlwirtschaft von der Politik an die Medien gegeben ohne erkennbare Struktur, ohne politischen Willen und nicht nach Qualitätskriterien gebunden". Digitaler Wandel, wie er in anderen Ländern in Medienhäusern schon längst vollzogen sei, würde dadurch schwieriger. Wenn Inserate nicht mehr aus Kommunikationsgründen, sondern zu Förderungszwecken gewidmet würden, würde das alte Geschäftsmodell konserviert. Russ nennt es so: "Wir sind das einzige Freiluftmuseum für Gratiszeitungen."

"Das Überangebot des Öffentlich-Rechtlichen und eine ausgeprägte Gratiskultur untergraben den Wert des Journalismus", sagte Max Dasch, Geschäftsführer der "Salzburger Nachrichten". "Im ersten Schritt braucht es ein großes Verständnis für den Wert von Journalismus."

Zuerst guten Journalismus produzieren

"Dazu muss ich erst mal guten Journalismus produzieren", hielt ihm Cathrin Kahlweit, Korrespondentin der "Süddeutsche Zeitung" in Wien, entgegen – und verwies auf das Problem der unterbesetzten Redaktionen. "Ich kann nicht guten Journalismus machen, wenn ich gleichzeitig totgespart werde."

Wie kommt man aus dieser Pattsituation heraus? Dasch: "Die Debatte sollte nicht über die Verteilung geführt werden, sondern über die Frage: Was möchte ich mit dieser Medienpolitik erreichen?" Die Inserate ganz zu streichen, hält Russ aber auch für den falschen Weg: "Das hätte fatale Auswirkungen auf den österreichischen Journalismus."

Werbeboykotte, wie zuletzt in den Chatprotokollen vonseiten des Finanzministeriums besprochen, kennt "Profil"-Chefredakteur Christian Rainer mehr von Wirtschaftsbetrieben: "Über Jahrzehnte haben wir unter Industriekonzernen gelitten, die ohne jede Scham zum Werbeboykott ausgerufen haben oder erwartet haben, dass Geschichte geschrieben werden. Wenn man zum Beispiel kritisch über Spar berichtet hat, gab es keine Inserate."

Und zum Thema Interventionen sagt SN-Chefredakteur Andreas Koller, ebenfalls im Publikum: "Zum Intervenieren gehören immer zwei – einer, der interveniert, und der, der sich das gefallen lässt." Man solle die "Legendenbildung nicht zu weit treiben, dass das Bundeskanzleramt bestimmt, was in der Zeitung steht".

Glaubwürdigkeitsproblem

Zumal die Inseratenaffäre generell die Glaubwürdigkeit von Medien auf die Probe stellt. Medienforscher Kaltenbrunner sieht etwa einen "wachsenden Anteil an Skepsis gegenüber Journalismus" in Österreich.

Und was ist jetzt zu tun, und wer muss was unternehmen? "Dieses toxische Biotop aus Freunderlwirtschaft muss weg", sagt Russ. "Inserate können nicht als Substitut für Förderung herhalten." Seine Vorstellung: Der Staat solle die Transformation von Medien mit Paywall-Systemen mit erheblichen Summen fördern. Russ spricht von 200 bis 300 Millionen. Einen "möglichst raschen Transfer in eine echte transparente Förderung" fordert Kaltenbrunner. (Doris Priesching, 12.10.2021)