"Birkenpollen sind in unseren Breiten einer der häufigsten Auslöser von respiratorischen Allergien", sagt Allergie-Expertin Ines Swoboda.

Foto: APA / dpa / Karl-Josef Hildenbrand

Wien – Allergien sind ein Problem moderner Industriestaaten. Laut der Österreichischen Gesundheitsbefragung 2019 bilden sie hierzulande die zweithäufigste Gruppe chronischer Erkrankungen. Allergien treten in unterschiedlichen Schweregraden auf: Sie können vergleichsweise harmlos sein und sich durch triefende Nasen oder tränende Augen bemerkbar machen. Sie können mitunter auch lebensgefährlich werden.

Viele Mechanismen, die an allergischen Reaktionen beteiligt sind, kennt man bereits sehr detailliert. Andere sind noch weniger erforscht, etwa wie es zur Aktivierung von B-Plasmazellen kommt, die Antikörper produzieren.

Eine Wissenslücke in der Allergieforschung will die Wissenschafterin Ines Swoboda schließen. Die Leiterin des Kompetenzzentrums Molecular Biotechnology an der Fachhochschule Campus Wien untersucht die Rolle von Epithelzellen bei der Aktivierung des Immunsystems.

"Man weiß, dass Epithelzellen nicht nur eine Barrierefunktion im Körper erfüllen, sondern selbst aktiv in die Aktivierung des Immunsystems eingreifen können, indem sie Botenstoffe ausschütten und so andere Zellen des Immunsystems aktivieren", sagt Swoboda. "Wir haben untersucht, was genau da ausgeschüttet wird und ob es Unterschiede zwischen Allergikern und Nichtallergikern gibt."

Kontakt mit Allergenen

In einem vierjährigen, von der Magistratsabteilung 23 der Stadt Wien geförderten Forschungsprojekt hat sie sich ganz gezielt auf die Epithelzellen in den Atemwegen konzentriert. Epithelzellen sind unter anderem deshalb so interessant, weil sie im Körper als Erstes mit Allergenen in Kontakt treten.

Dank einer Kooperation mit den HNO-Abteilungen der drei Kliniken Favoriten, Landstraße und Hietzing erhielten die Forscher Atemwegsgewebe, das bei Polypen-Operationen aus Patienten entfernt worden war. Daraus haben sie Epithelzellen isoliert und in einer Nährlösung kultiviert. Anschließend brachten sie Allergene in diese Kulturen ein.

Zur Vereinfachung haben sich die Forscher auf die Gabe von Birkenpollen beschränkt. "Birkenpollen sind in unseren Breiten einer der häufigsten Auslöser von respiratorischen Allergien", sagt Swoboda. "Außerdem haben sie mit Bet V 1 ein Hauptallergen, auf das mehr als 90 Prozent der Allergiker reagieren."

15 Gene identifiziert

Die Untersuchungen haben einerseits bestätigt, dass Epithelzellen Allergene nicht bloß aufnehmen, sondern passieren lassen und zu den Immunzellen weitertransportieren. Mittels RNA-Sequenzierungen der Proben wurde zudem untersucht, welche Gene dabei aktiviert werden.

So ließen sich rund zehn bis 15 Gene identifizieren, die als Kandidaten infrage kommen. Welche davon explizit vom Allergen aktiviert werden und bei welchen Genen vielleicht andere, parallel ablaufende Prozesse verantwortlich sind, sollen weitere Forschungen zeigen.

Das wird eine der wissenschaftlichen Fragen eines neuen, vierjährigen Projekts sein. Außerdem soll darin der Effekt von Umweltschadstoffen auf allergische Reaktionen untersucht werden. Langfristig könnte die Forschung zu einer Immunisierung gegen die betreffenden Allergene führen. (Raimund Lang, 15.10.2021)