Was haben so verschiedene Dinge wie die Auf-und-ab-Bewegungen von Aktienkursen, die Ausbreitungsmuster einer Virenepidemie und die Erträge einer Windkraftanlage gemeinsam? Es ist die Macht des Zufalls – er wird in diesen Prozessen zu einem bestimmenden Faktor.

Kathrin Spendier arbeitet an stochastischen Differenzialgleichungen, die durch sogenannte "irreguläre Koeffizienten" besonders schwierig ausfallen – wie der Aktienkurs, der plötzlich ins Bodenlose fällt.
Foto: Photo Riccio / DI Walter Elsner

Ein Fondsmanager hat bei einem Titel ein schlechtes Gefühl, verkauft Anteile und löst vielleicht damit eine Kettenreaktion aus. Ein Grippevirus breitet sich in einem Bürogebäude blitzschnell aus, nur weil der Mittagspizza-Lieferant infiziert ist. Oder unvorhersehbare Luftverwirbelungen sorgen für eine plötzliche Veränderung der Windrichtung, die die Stromproduktion aus Wind in einer Region ansteigen lässt. All diese Dinge können niemals genau und ohne Unsicherheit berechnet werden.

Modelle, die diese und viele andere Prozesse mathematisch abbilden, bedienen sich sogenannter stochastischer Differenzialgleichungen. "Diese Art der Berechnungen helfen, zeitabhängige Vorgänge besser zu verstehen", erklärt Kathrin Spendier, Mathematikerin an der Uni Klagenfurt. Merkmal der Gleichungen ist, dass sie eben nicht nur von vorhersehbaren, deterministischen Störprozessen beeinflusst werden, sondern auch von stochastischen, die lediglich in Wahrscheinlichkeiten fassbar sind.

Näherung

Spendier ist Doktorandin in einem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Doktoratskolleg an der Universität Klagenfurt – der "doc.funds doctoral school" zum Thema "Modeling – Analysis – Optimization of discrete, continuous, and stochastic systems". Zehn der vierzehn Doktoratsstudierenden im von Michaela Szölgyenyi koordinierten Projekt sind weiblich.

Spendier arbeitet an stochastischen Differenzialgleichungen, die durch sogenannte "irreguläre Koeffizienten" besonders schwierig ausfallen – wie der Aktienkurs, der plötzlich ins Bodenlose fällt. "Die resultierenden Gleichungssysteme können sehr schnell sehr komplex werden, sodass sie nicht mehr explizit und in überschaubarer Rechenzeit lösbar sind. Deshalb muss man sich mit Näherungsverfahren, sogenannten Approximationen, behelfen", sagt Spendier.

"Mein Fokus ist zu untersuchen, wie schnell man bei einer Modellierung zu einer hinreichend guten Näherung gelangen kann." In den Forschungsprojekten, an denen sie beteiligt ist, arbeitet sie nicht nur an entsprechenden Approximationsschemata, sondern auch daran, wie maschinelles Lernen dazu beitragen kann, schnelle Näherungslösungen zu schaffen.

Die 1995 geborene Kärntnerin brachte ihr Faible, nach "Mustern und Strukturen im Chaos" zu suchen, zum Studium der technischen Mathematik an die Uni Klagenfurt. Ein Unterstufenlehrer habe es geschafft, ihr die Mathematik in einer Weise näherzubringen, dass auch sie plötzlich als "klare und logische Struktur" erkennbar wurde.

Das Mathematik-Faible setzte sich letztlich auch gegen eine andere Beschäftigung durch, die Spendiers Jugend prägte – das Tennisspielen. "Ich habe früher professionell gespielt. Heute hilft mir der Sport, den Kopf von Mathematik-Problemen freizubekommen. Zudem trainiere ich noch manchmal Kinder und Erwachsene", erklärt die Mathematikerin. (Alois Pumhösel, 15.10.2021)