In Russland protestierte die kommunistische Partei Ende September bei einer unangemeldeten Demonstration.

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Wien – Auf knapp 50 Prozent der Stimmen ist die Partei Einiges Russland bei der Duma-Wahl im September gekommen. Das geschah laut einer Analyse österreichischer Forscher allerdings auch durch massiven Wahlbetrug, wie es in einem "Policy Brief" des Complexity Science Hub (CSH) Wien heißt. Ohne diese Praktiken wäre die Kreml-Partei laut der Analyse eher bei 30 Prozent gelandet.

Die Wiener Wissenschafter beschäftigen sich seit Jahren mit Methoden zum statistischen Nachweis von unlauterem Druck auf Wähler ("Voter Rigging") und illegalem Mehrfachwählen ("Ballot Stuffing"). Bei Ersterem werden Wahlberechtigte etwa durch Androhung körperlicher Gewalt oder durch Drohung mit Arbeitsplatzverlust zu einer bestimmten Stimmentscheidung genötigt.

Tests nach Ausreißern

Zum Nachweis dieser Art der Wählermanipulation haben Komplexitätsforscher um Peter Klimek vom CSH und der Medizinischen Universität Wien einen Schnelltest entwickelt, der 2017 im Fachjournal "Science Advanced" vorgestellt wurde. Eine Methode für das Erkennen von "Ballot Stuffing" veröffentlichten Klimek und CSH-Chef Stefan Thurner bereits im Jahr 2012. Im Kern suchen die Forscher mit ihren forensischen statistischen Tests nach äußerst unwahrscheinlichen und deutlich aus dem Gesamtbild fallenden Einzelergebnissen in Wahlkreisen.

Ihre Methoden haben die Wissenschafter nun auf die Ergebnisse der Duma-Wahl vom 17. bis 19. September angewendet. Von einem statistischen Blickpunkt aus sei es "höchst unwahrscheinlich", dass diese das "Ergebnis einer freien und fairen demokratischen Wahl" ist. Dafür, dass Wählermanipulation und Mehrfachwählen stattgefunden haben, gebe es hochsignifikante Hinweise.

Hinweise auf mehrfache Stimmabgabe

Den Forschern zufolge eilt Wahlen in Russland immer wieder ein zweifelhafter Ruf voraus, Wahlbetrug stelle dabei kein neues Phänomen dar. Bei der aktuellen Wahl fänden sich jedoch in rund der Hälfte aller über 90.000 untersuchten Wahldistrikte auf Basis der Wahlbeteiligung Hinweise auf "Ballot Stuffing", was auf eine "systematische Praxis" hindeute. Da vor allem die Ergebnisse vieler kleiner Wahllokale einen größeren Beitrag zu den gröberen Unregelmäßigkeiten leisten, werten die Wissenschafter dies als Anzeichen für Wählermanipulation.

Letztlich zeige sich vielfach das Bild, dass besonders gute Ergebnisse für Einiges Russland mit unüblich hohen Wahlbeteiligungen vor allem in Wahlkreisen zusammenhängen, die etwa aufgrund ihrer geografischen Lage oder geringen Größe nicht von Wahlbeobachtern aufgesucht werden. Rechne man all diese Effekte, die üblicherweise in "reifen Demokratien" nicht auftreten, aus dem Ergebnis heraus, würde die Partei eher bei ungefähr 30 Prozent anstatt der offiziellen fast 50 Prozent landen, heißt es in dem "Policy Brief". (APA, 13.10.2021)