Die Influenza-Impfrate war im vergangenen Jahr so hoch wie nie zuvor.

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In Kroatien geht es bereits los. Dort treten schon jetzt – relativ früh in der alljährlichen Grippesaison – verstärkt Fälle mit dem H3N2-Virus auf. Das deutet darauf hin, dass die heurige Welle auch bald in Österreich ankommen könnte. Die würde dann auf eine immunologisch nicht besonders gerüstete Bevölkerung treffen – denn im Vorjahr ist die Grippesaison wegen der Corona-Schutzmaßnahmen beinahe komplett ausgefallen.

Sollte es diesen Winter zu einer Epidemie kommen, dürfte diese deshalb heftig ausfallen, so Expertinnen und Experten unisono in einem virtuellen Pressegespräch am Mittwoch. Denn üblicherweise folgt auf eine schwache Saison eine starke Welle. Monika Redlberger-Fritz, Leiterin des Nationalen Referenzlabors für die Erfassung und Überwachung von Influenza-Virusinfektionen und Mitglied des Nationalen Impfgremiums, sieht zwei mögliche Szenarien. "Aktuell sind viele Covid-Hygienemaßnahmen nach wie vor in Kraft, die internationale Reisetätigkeit ist immer noch stark eingeschränkt."

Bleibt das so, wird es eher keine massive Welle geben. Da jedoch immer mehr Länder ihre Maßnahmen lockern würden, erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit, dass Influenza-Viren eingeschleppt werden könnten, so die Expertin. "Sollten im Winter auch bei uns die Covid-Restriktionen zurückgefahren werden, haben die Influenza-Viren gute Chancen, sich auszubreiten."

Wenn Grippewelle, dann eine starke

In diesem Fall befürchtet sie eine besonders starke Influenza-Welle. "Aus den Beobachtungen der letzten 20 Jahre weiß man, dass nach einer schwachen Influenza-Saison die nächste umso massiver ausfällt." Dieses Jahr gebe es dafür gleich mehrere Gründe. "Normalerweise kommt ein gewisser Teil der Bevölkerung während einer Influenza-Saison mit dem Virus in Kontakt, ohne Symptome zu entwickeln. Dadurch kommt es zu einer "stillen Feiung". Das Immunsystem wird quasi upgedatet. Auch wenn in der darauffolgenden Saison ein anderer Virusstamm vorherrscht, entsteht dennoch ein gewisser Kreuzschutz. Dieses "Update" ist letzte Saison komplett ausgefallen.

Außerdem gibt es mittlerweile drei Geburtenjahrgänge (240.000 Kinder), die noch nie Kontakt mit einem der vier humanpathogenen Virusstämme (H3) gehabt hätten. Im Fall einer Infektion könnten sie aufgrund ihrer hohen Viruslast und der langen Infektiosität zu Superspreadern werden.

Deshalb raten Expertinnen und Experten ab sofort zur Influenza-Impfung – auch wenn man noch nicht genau sagen kann, wie heftig die Welle tatsächlich ausfallen wird. Vergangenes Jahr war die Durchimpfungsrate für österreichische Verhältnisse sehr hoch, sie lag bei 21,28 Prozent – im Jahr davor waren es nur 8,53 Prozent. Im Gesundheitsbereich waren 30 Prozent geimpft, ebenso in Risikogruppen wie etwa Diabetes- und COPD-Kranke.

Doch auch diese im Verhältnis hohe Impfrate ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass WHO und EU für ältere Menschen und Risikogruppen eine Durchimpfungsrate von 75 Prozent empfehlen. Für die kommende Grippesaison planen 18 Prozent auf jeden Fall eine Impfung, elf Prozent sagen vielleicht, wie aus einer Umfrage des Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH) hervorgeht.

Man befürchte auch, dass die Impfbereitschaft dieses Jahr aufgrund der ausgebliebenen Influenza-Welle im letzten Winter wieder sinke. Das könnte im Ernstfall fatale Folgen haben, für die Betroffenen und das Gesundheitssystem, das ja bereits durch die Covid-Patientinnen und -Patienten belastet ist.

Hotspots Schulen und Kindergärten

Um zu verhindern, dass die Fallzahlen beider Krankheiten parallel zueinander ansteigen, gelte es, die Durchimpfungsrate vom letzten Jahr zumindest zu halten. Ausreichend Impfstoff steht dafür bereit, für Menschen in Alten- und Pflegeheimen und Kinder sogar gratis.

"Denn gerade in Schulen und Kindergärten verbreitet sich das Influenza-Virus rasant", betont Albrecht Prieler, Kinderarzt und Mitglied des Nationalen Impfgremiums. "Ähnlich wie bei Covid-19 ist man mit Influenza auch schon vor Ausbruch der Symptome ansteckend, die Inkubationszeit ist kurz." Die Folge sei, dass oft ganze Kindergartengruppen oder Schulklassen an Influenza erkranken.

Gesunde Kinder über sechs Jahren haben zwar selten schwere Verläufe, aber im Schnitt 128 von 100.000 Grippe-infizierten Kindern kommen in Österreich ins Spital. Und sie sind wichtige Überträger: "Sie bringen das Influenza-Virus nach Hause, was besonders für dort lebende ältere Menschen gefährlich werden kann", erläutert Prieler.

Mit Impfung vorbauen

Impfen hilft übrigens auch langfristig, wie Maria Paulke-Korinek, Leiterin Abteilung für Impfwesen im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie Mitglied des Nationalen Impfgremiums, betont: "Die Impfung ist in jedem Fall zu empfehlen, selbst wenn die Influenza-Saison heuer noch einmal entfallen sollte. Denn der Körper kann im Fall eines Kontakts mit dem Virus zielgerichteter und schneller reagieren."

Für die diesjährige Gratisimpfaktion stehen etwa 300.000 Impfdosen für Kinder zwischen sechs Monaten und 15 Jahren zur Verfügung, wobei ab zwei Jahren ein Nasenspray statt einer Spritze zum Einsatz kommt. Weitere 100.000 gibt es für Personen in Alten- und Pflegeheimen. Paulke-Korinek: "Die Influenza-Impfung wird allen, die sich schützen wollen, unabhängig vom Alter, empfohlen." Besonders nachdrücklich aber Menschen mit Risiko für einen schweren Grippeverlauf, also Kinder, Schwangere, Senioren und chronisch Kranke. Auch für Personen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko – wie Gesundheitspersonal, Personal in der Kinderbetreuung, Personen in Gemeinschaftseinrichtungen oder mit viel Kunden- sowie Publikumskontakt und Reisende – macht eine Influenza-Immunisierung Sinn.

Optimaler Zeitpunkt für die Impfung sei übrigens zwischen Ende Oktober und Mitte November. Denn der erste Höhepunkt der Grippewelle kommt üblicherweise im Jänner, das Immunsystem hat dann genügend Zeit, Antikörper zu bilden. Zeitlichen Abstand zu anderen Impfungen müsse man nicht einhalten. Die Impfung wird im E-Impfpass dokumentiert. (APA, kru, 13.10.2021)