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In Bewegung bleiben heißt es auch für Anleger: Die anstehenden Jahre werden wohl von anderen Entwicklungen geprägt sein als das vergangene Jahrzehnt.

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Können Sie sich an die Zeit erinnern, als Sparbücher noch Zinserträge abwarfen? Und Staaten noch Zinsen zahlen mussten, wenn sie Schulden machten. Die Null- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank hat die Finanzwelt auf den Kopf gestellt. Auch in den USA liegt der Leitzins nahe bei null. Das muss nicht so bleiben, denn ein Finanzexperte sagt eine Rückkehr der Zinsen vorher.

Denn die Corona-Pandemie wird die Welt nachhaltig verändern. Das gilt freilich auch für die Wirtschaft und Finanzmärkte, wo langfristige Entwicklungen auslaufen und sich im Gegenzug andere etablieren sollten. Über Jahrzehnte waren etwa Globalisierung und ein sinkendes Zinsniveau die Treiber der Finanzmärkte. Aber was erwartet Anleger nach der pandemischen Krise und der nun laufenden Erholung?

Wie lange wir noch Masken tragen, bleibt zwar ungelüftet – aber sonst nimmt Andreas Köster, Leiter des Fondsmanagements bei Union Investment, kein Blatt vor den Mund. Was die Veränderungen der Pandemie für Anleger bedeuten, erklärt er für die Wirtschaft, die Entwicklung der Zinsen, die Gewinne der Unternehmen sowie Rohstoffe, die zu seinen Favoriten für das Post-Corona-Zeitalter zählen.

Wirtschaft: Wachstum statt Stagnation

An den Finanzmärkten geht die Angst um vor einer Neuauflage der 1970er-Jahre. Stagflation, wie die Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation bei hoher Teuerung bezeichnet wird, beherrschte damals die Wirtschaft. Sorgen vor einer Neuauflage teilt Köster nicht. Zwar werde Corona die Ära sinkender Inflationsraten beenden, diese würden sich aber auf normalen Niveaus – in den USA bei etwas über zwei Prozent, im Euroraum eher darunter – einpendeln.

Zudem werde das Stottern des Wirtschaftsmotors nachlassen, denn die Phase wirtschaftlichen Stillstands verortet Köster eher im vergangenen Jahrzehnt. Die Sparfreudigkeit der Regierungen nach der Finanzkrise 2008 habe zu einer säkularen Stagnation geführt, die seiner Ansicht nach wegen eines wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsels nun zu Ende ist: Stattdessen würden die Regierungen ihre Füllhörner öffnen, um damit Wachstum zu erzeugen. "Diese Entwicklung wird sich nicht umkehren, dafür ist der gesellschaftliche und politische Konsens zu groß."

Renditen: Zinsen kehren zurück

Ein höheres Wachstum bedeutet mittelfristig allerdings auch höhere Zinsen in den sogenannten sicheren Häfen. Dazu zählen etwa Staatsanleihen aus den USA oder Deutschland. "Damit verschieben sich Grundparameter für die Kapitalmärkte", betont Köster. Sobald diese Ankerinvestments genug Ertrag abwerfen, lasse der herrschende Anlagenotstand nach. Das soll heißen: Die Risikofreudigkeit vieler Anleger wird deshalb abnehmen. Denn wozu sich Risiken aufhalsen, wenn auch sichere Staatsschuldverschreibungen ansprechenden Ertrag einspielen?

Allerdings gelte dieser Befund vor allem für die USA. "In Europa ist das Potenzial deutlich geringer, sowohl für höheres Wachstum als auch für anziehende Renditen", sagt Köster. Auf dem alten Kontinent werde das Niedrigzinsumfeld tendenziell erhalten bleiben. Seine Schlussfolgerung: "Wer als Anleger nur im Euroraum verharrt, vergibt Renditechancen." Er empfiehlt generell, nicht nur auf Anleihen zu setzen, sondern auch auf andere Assetklassen – und zwar jeweils breit gestreut.

Unternehmen: Ertragslage verbessert sich

Als unbegründet haben sich frühere Untergangsbefürchtungen erwiesen, als die ersten Schockwellen der Corona-Pandemie die Finanzwelt erschütterten. Eine Welle an Unternehmenspleiten ist aber ebenso ausgeblieben wie das massive Auftreten von sogenannten Zombiefirmen, die sich nur durch billige Kredite gerade noch über Wasser halten. Wohl haben Sektoren wie die Luftfahrt oder der Tourismus tatsächlich stark gelitten. Gleichzeitig konnten jedoch auch viele Unternehmen ihre Gewinne steigern.

"Wir gehen davon aus, dass dieser Trend anhält", erwartet Köster. Viele Unternehmen hätten schnell und entschlossen auf die Krise reagiert und Geschäftsmodelle angepasst. Als Folge sei deren Profitabilität mitunter sogar gestiegen. Mit der Aussicht auf ein höheres Wachstum sollte sich diese Entwicklung verstetigen. Was das für Aktien bedeutet: Steigende Gewinne werden den Gegenwind durch höhere Zinsen und Renditen überkompensieren. "Davon werden aber nicht alle Unternehmen gleichermaßen profitieren", warnt Köster.

Rohstoffe: Nachfrage treibt Preise

Die Fiskalprogramme der Regierungen sollen die Konjunktur anschieben, aber auch die Ökologisierung der Wirtschaft. Zudem haben die Lockdowns der Pandemie offengelegt, wie groß der Bedarf an Digitalisierung ist. Beides zusammen wird aus Kösters Sicht Folgen für die Rohstoffmärkte haben: "Die Nachfrage nach Commoditys dürfte insgesamt zunehmen, und die Preise sollten steigen." Rohstoffe zählen daher zu seinen Favoriten im Post-Corona-Zeitalter. Allerdings werden nicht alle Commoditys, wie Rohstoffe auch bezeichnet werden, profitieren.

Metalle wie Kupfer, Lithium und Nickel sollten nachgefragt werden, um Kapazitäten der Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energien auszubauen. "Ein Elektroauto enthält beispielsweise im Schnitt rund 83 Kilogramm Kupfer, viermal so viel wie ein Auto mit Verbrennungsmotor", sagt Köster. Der daraus resultierende Nachfrageüberhang bei etlichen Rohstoffen sollte zu einem Superzyklus des Sektors führen. Aber: Fossile Energien wie Kohle, Rohöl und Gas dürften an Bedeutung verlieren. (Alexander Hahn, 14.10.2021)