Im Grunde kann man Finanzminister Gernot Blümel keinen Vorwurf machen. Im Bundeshaushalt für 2022, seinem zweiten, kehrt der türkise Finanzminister nach dem Ausnahmezustand der Corona-Krise zur fiskalen Normalität zurück. Dank einer kräftigen Wirtschaftserholung, viel geringerer Corona-Hilfen und Nullzinsen auf den internationalen Kapitalmärkten kann Blümel solide Budgetzahlen vorlegen und sich dennoch großzügig zeigen.

Das Defizit sinkt wieder unter die Schwelle von drei Prozent der Wirtschaftsleistung, der Schuldenberg schrumpft ein wenig, obwohl fast jedes Ressort mehr Geld erhält – viel mehr für das Klima, ein wenig mehr für Bildung, Forschung, Landwirtschaft und Kultur. Die Steuerreform bringt Entlastungen für fast alle – von Kleinstverdienern bis zu Großkonzernen –, und sogar der Einstieg in eine CO2-Bepreisung ist 30 Jahre nach der in Schweden gelungen.

Finanzminister Gernot Blümel setzt mehr oder weniger den Budgetkurs der vergangenen Jahrzehnte fort.
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Für die Begeisterung, die in Blümels Rede mitschwang, gibt es dennoch wenig Grund. Die soliden Budgetzahlen verdankt er vor allem dem allgemeinen Aufschwung in Europa, und auch dort hinkt Österreich den meisten anderen Eurostaaten etwas nach. Die Schuldenquote sinkt daher nur langsam und bleibt rund zehn Prozentpunkte über jener in Deutschland. Die Steuerentlastung bietet nicht viel mehr als einen Ausgleich für die kalte Progression der vergangenen Jahre. Und was der Finanzminister als Investitionen in die Zukunft verkauft, erscheint insgesamt ziemlich mager.

Riesenproblem Pflege

Ein guter Teil der 2,4 Milliarden Euro, die für Klimaschutz budgetiert sind, werden vom Klimabonus aufgefressen – ein politisch sicher sinnvoller Ausgleich, aber kein Beitrag zum Klimaschutz. Das Plus bei der Bildung deckt gerade die erwartbaren Gehaltserhöhungen für die Lehrerschaft ab. Die Beamtenpensionen kosten mehr, als das gesamte Bildungsbudget vorsieht, und beides wird vom jährlichen Zuschuss zu den allgemeinen Pensionen in den Schatten gestellt. Für das Riesenproblem Pflege wird keine Vorsorge geleistet, die Kindergärten bleiben unterfinanziert. Österreich buttert kräftig in die Vergangenheit und knausert bei der Zukunft. Von Gestaltungswillen und Reformkraft ist hier wenig zu merken.

Diese Politik ist keine Erfindung der türkis-grünen Regierung. Blümel setzt mehr oder weniger den Budgetkurs der vergangenen Jahrzehnte fort, der schon von den rot-schwarzen Koalitionen eingeschlagen wurde. Damit wird ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftsfreundlichkeit, sozialer Verantwortung und moderater Haushaltsdisziplin geschaffen, mit dem jeder leben kann. Nun kommt noch ein Schuss Ökologie dazu, der auch ohne grüne Regierungsbeteiligung notwendig gewesen wäre. Das kann man als Zeichen von Augenmaß loben, als Mutlosigkeit verdammen oder als österreichischen Weg achselzuckend akzeptieren.

Bisher ist das Land mit dieser Politik ganz gut gefahren. Aber vor allem in der Bildung von Kindern aus sozial schwachen Familien eröffnen sich Lücken, die längerfristig gefährlich sind. Und beim Klima hat sich die Regierung den eigenen ehrgeizigen Zielen kaum angenähert. Spätestens dann, wenn eine deutsche Regierung mit grüner Beteiligung einen härteren Klimakurs einschlägt, gerät auch die Regierung Schallenberg unter Zugzwang. Dafür ist Zeit bis zum Budget 2023 – wenn diese Koalition dann noch steht. (Eric Frey, 13.10.2021)