Viele Seilbahnprojekte werden aktuell nicht realisiert. Doch es gibt hochtrabende Pläne.

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Innsbruck/Salzburg – Mit der Pandemie wurde es ruhiger. Auch auf den Bergen, wo viele Seilbahnen stillstanden und neue Projekte vorerst gestoppt wurden. Auch im kommenden Winter investiert die Seilbahn-Branche verglichen mit den Jahren vor Corona noch eher verhalten. Doch die Planungen laufen bereits wieder auf Hochtouren.

"Gletscherehe" liegt auf Eis

Das größte in Tirol geplante Seilbahnprojekt ist die sogenannte Gletscherehe, also die Verbindung des Skigebietes auf dem Pitztaler Gletscher mit jenem in Sölden im Ötztal. Das mit 132 Millionen Euro veranschlagte Großprojekt sorgte für Schlagzeilen und heftige Diskussionen. Daher entschied man sich noch vor Ausbruch der Pandemie für eine Nachdenkpause, die bis Sommer 2022 verlängert wurde. Der Chef der Bergbahnen Sölden, Jakob Falkner, bekräftigte zwar kürzlich, dass man auf Ötztaler Seite weiter hinter dem Projekt stehe. Auf Pitztaler Seite, wo man rund 90 Prozent der Kosten tragen müsste, ist die Begeisterung jedoch überschaubar. Seitens der Landesumweltanwaltschaft hält man das Projekt für gestorben.

Insgesamt werden im kommenden Winter nur sieben Tiroler Skigebiete neue Seilbahnen in Betrieb nehmen, in Planung sind ungleich mehr. Das Seuchenjahr 2020 schlug sich aber in den Investitionen in Tirols Seilbahnen nieder. Sie sanken von 369,3 Millionen Euro in der Saison 2019/2020 auf 182,4 Millionen. Wie viel heuer investiert wurde, ist noch nicht bekannt.

Wie das Land Tirol dem STANDARD bestätigt, liegen aktuell für sechs Projekte in Sölden, Jerzens, Nauders, Kaunertal sowie zwei in Imst rechtskräftige Baugenehmigungen vor. Für weitere fünf Projekten in St. Veit im Defereggen, in Gerlos, Stummer- und Gerlosberg, Serfaus sowie in Tux liegt eine rechtskräftige Baugenehmigung vor und man rechnet mit einer Fertigstellung vor Beginn der Wintersaison 2022/23.

Zwei Neubauten in Vorarlberg

In Vorarlberg weiß die Naturschutzanwältin Katharina Lins von zwei aktuellen Seilbahnprojekten, das Land bestätigt dies. Die Madloch- und die Zugerbergbahn in Lech am Arlberg sowie die Valiserbahn in St. Gallenkirchen. Das geplante Projekt Grubenalpbahn in Lech sei noch nicht bewilligt. Dort gibt es wegen naturschutzrechtlicher Bedenken Widerstand, erklärt Lins, weil die Bahn am Rande des Schutzgebiets Gipslöcher geplant ist.

Insgesamt sei während der Corona-Pandemie "eine gewisse Nachdenklichkeit spürbar" geworden, sagt Lins. Sie führt das auf wirtschaftliche Überlegungen der Betreiber zurück: "Weil nicht mehr klar war, was man sich noch leisten können wird."

Riesenbaustelle in Wagrain

Wie aus der Zeit gefallen wirkt da die aktuelle Riesenbaustelle im Salzburger Wagrain. Hier im Pongau solle ja mit dem neuen Flying Mozart auf das Grießenkareck "die modernste Seilbahn" im Alpenraum entstehen: 4.000 Personen soll die Bahn pro Stunde befördern können; die 970 Höhenmeter sollen in nur elf Minuten überwunden werden.

Die neue Seilbahn ersetze zwar formal den alten Flying Mozart, de facto entstehe aber eine völlig neue Anlage, sagen Kritiker des Projekts. "Aus einer Schnellstraße wird eine Autobahn", meint die Landesvorsitzende des Alpenvereins, Claudia Wolf.

Die Pläne in der Gaissau

Während im Pongauer Wagrain die Bagger einen ganzen Berg umgraben und Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) anlässlich einer Baustellenbesichtigung im Sommer von einem wichtigen Schritt für den Winter- wie den Sommertourismus spricht, wurde im Pinzgauer Zell am See eine Neuerschließung vom Verwaltungsgerichtshof abgedreht. Die Umweltverträglichkeitsprüfung zur Erweiterung von der Schmittenhöhe über den Hochsonnberg ins benachbarte Piesendorf hat der VwGH 2020 gekippt. Ob die Betreibergesellschaft einen neuen Anlauf unternimmt, war für den STANDARD nicht zu erfahren; mehrere Anfragen blieben unbeantwortet.

Völlig unklar ist auch, wie es mit dem kleinen Familienskigebiet Gaissau-Hintersee in der Nähe der Stadt Salzburg weitergeht. In der wechselhaften Geschichte des Skigebiets – zwischenzeitlich war sogar einmal ein chinesischer Investor an Bord – sind nun Pläne des neuen Eigentümers, massiv in eine Beschneiungsanlage und eine neue Gondelbahn investieren zu wollen, bekannt geworden. Die Rede ist von 22 Millionen Euro, einer Zehnerseilbahn, einem Speicherteich und 51 Schneekanonen. Landeshauptmann Haslauer hat auch grundsätzlich Förderungen zugesagt, ein konkretes Projekt liegt freilich nicht auf dem Tisch. Das Problem ist vor allem die Seehöhe: Gaissau-Hintersee gilt zwar als "Schneeloch", die Liftanlagen kommen aber nicht über eine Seehöhe von 1500 Meter hinaus.

Hinterstoder–Vorderstoder

Zu den umstrittensten Projekten gehört die geplante Erweiterung des Skigebiets im oberösterreichischen Hinterstoder Richtung Vorderstoder. Für rund zehn Kilometer neue Pisten sollen 42 Hektar Wald gerodet werden, 950 neue Parkplätze würden auf die grüne Wiese betoniert. Das Unternehmen gehört zur Schröcksnadel-Gruppe.

"Die Erweiterung würde sich in Lagen von 750 bis 1.200 Meter Seehöhe befinden, das ist völlig unsinnig", sagt die Sprecherin der Bürgerinitiative Lebenswertes Vorderstoder. In der Gemeinde kämpfen Teile der Bevölkerung seit Jahren gegen die Neuerschließungspläne. Vorerst einmal mit Erfolg: Der Umweltbericht liegt zwar bei der Landesregierung, es fehlten aber wesentliche Teile wie etwa ein Verkehrskonzept, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Aktuell steht das Projekt also still. (Steffen Arora, Thomas Neuhold, 14.10.2021)