Außenminister Michael Linhart vor Beginn seines ersten Ministerrates im Bundeskanzleramt in Wien.

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Sarajevo/Wien – Österreichs neuer Außenminister Michael Linhart (ÖVP) beginnt am Donnerstag seinen ersten Auslandbesuch. Er ist bis Freitag in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo zu Gast. Im Fokus steht die EU-Erweiterung auf dem Westbalkan. Damit setzt der Minister die Linie der türkis-grünen Regierung fort, die stets für eine Erweiterung der EU um die Staaten des Westbalkans (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien) eingetreten ist.

Im Vorfeld der Reise – die Abreise war für den frühen Donnerstagnachmittag angesetzt – sprach Linhart von einem Besuch bei "unseren Nachbarn, Freunden und hoffentlich auch in absehbarer Zeit Verbündeten innerhalb der Europäischen Union". Er werde nämlich das Engagement Österreichs für den Beitritt der Westbalkanstaaten zur EU "ungebremst fortführen", ließ Linhart wissen. "Das ist nicht nur eine österreichische Tradition, sondern ein Herzensanliegen und ein Schwerpunkt meiner Außenpolitik."

Am Donnerstagnachmittag wird Linhart mit dem Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina, dem Deutschen Christian Schmidt, und der sozialdemokratischen Bürgermeisterin Benjamina Karić Gespräche führen. Der CDU-Politiker Schmidt hatte Anfang August Valentin Inzko als Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina abgelöst. Der Kärntner Slowene hatte das Amt zwölf Jahre lang innegehabt. Am Freitag folgen Termine mit dem Ministerratsvorsitzenden Zoran Tegeltija sowie dem nach ethnischen Kriterien mit Vertretern der (muslimischen) Bosniaken, (katholischen) Kroaten und (orthodoxen) Serben besetzten Staatspräsidium und Außenministerin Bisera Turković.

Gute Kontakte nach Frankreich

Österreich sei der stärkste Befürworter innerhalb der Union, den Westbalkanstaaten eine klare Beitrittsperspektive zu geben, bestätigte Gerhard Mangott, Professor für internationale Beziehungen an der Universität Innsbruck, den "Vorarlberger Nachrichten" vom Donnerstag. "Somit ist die Reise ein deutliches Signal." Auf EU-Ebene werde sich Linhart in dieser Frage allerdings nicht durchsetzen können, dafür fehlten die Verbündeten. Abzuwarten ist laut Mangott, ob sich der neue Außenminister so stark wie bisher mit den Visegrád-Staaten Ungarn und Slowakei abstimmen wird. Allerdings: Sofern der ehemalige Bundeskanzler und nunmehrige ÖVP-Klubobmann Sebastian Kurz weiterhin die Vorgaben liefere, "wird er die Linie beibehalten", so der Experte.

Während das aktuelle EU-Vorsitzland Slowenien, Österreich und Deutschland die Westbalkan-Erweiterung nicht zuletzt aus wirtschaftlichem Interesse forcieren, ist sie EU-Granden wie Frankreich kein primäres Anliegen. Allerdings könnte Linhart diesbezüglich zugutekommen, dass er zuletzt Botschafter in Paris war. Frankreich wird zu Jahresbeginn auch die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

Als besonders heikel gilt, dass die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien bereits seit rund einem Jahr von Bulgarien aus innenpolitischen Gründen blockiert wird – obwohl bereits im März 2020 ein klarer EU-Beschluss für den Start von Verhandlungen getroffen wurde.

Einflüsse aus aller Welt

Hintergrund des Einsatzes Österreichs für eine EU-Erweiterung ist auch die Sorge, dass bei einer mangelnden oder schwindenden EU-Perspektive in diesen Ländern der Einfluss Chinas, Russlands oder der Türkei steigen könnte. Im zu 45 Prozent muslimisch geprägten Bosnien-Herzegowina war zudem in manchen Landesteilen bereits während des Bosnien-Kriegs (1992–1995) und danach ein "starker Einfluss von gewissen arabischen Ländern und Salafisten" bemerkbar, wie etwa 2015 anlässlich eines Besuchs des damaligen Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP) festgehalten wurde. Bedeutsam war insbesondere der Einfluss Saudi-Arabiens, der sich nicht zuletzt in der Finanzierung zahlreicher Moscheen bemerkbar machte.

Zuletzt sah die Regierung den Westbalkan aber auch im Zentrum des Kampfes gegen illegale Migration. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte Ende September nach zwei Reisen in die Region eine sogenannte Rückführungskonferenz an. Diese soll gemeinsam mit Slowenien abgehalten werden – noch in diesem Jahr. (APA, red, 14.10.2021)