Präsident Kais Saied und seine neue Premierministerin Najla Bouden Romdhane.

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Ein reduziertes Kabinett aus 24 Ministern und Ministerinnen und einer Staatssekretärin, ein Frauenanteil von einem Drittel, zum ersten Mal eine Frau an der Spitze: Die Regierung der neuen Premierministerin Najla Bouden Romdhane weckt bei vielen Tunesierinnen und Tunesiern Hoffnung, dass endlich Bewegung in die festgefahrene politische Situation kommt.

Die meisten der 25 Regierungsmitglieder sind zudem bisher, und auch das gefällt vorerst vielen, parteipolitisch nicht in Erscheinung getreten. Oft sind es Fachleute, und sie kommen, wie auch Präsident Saied und Regierungschefin Bouden Romdhane, aus den Universitäten des Landes. Nur die Außen- und Gesundheitsminister sowie die Finanzministerin der bisherigen Regierung bleiben im Amt.

Eine Geste für den Westen

Ziel der Regierung sei es, den Bürgern und insbesondere der tunesischen Jugend Hoffnung zu geben, die Lebensbedingung der Bevölkerung zu verbessern und ihr Vertrauen in Staat, Regierung und Verwaltung wiederherzustellen. Das sagte Bouden Romdhane bei ihrer Antrittsrede am Montag, als das neue Kabinett vereidigt wurde. Ihre oberste Priorität sei daher die Korruptionsbekämpfung. Denn nur wenn die Gesetze für alle gelten würden, sei es möglich, Vertrauen zu schaffen.

Doch nach wie vor ist offen, wie viel Handlungsspielraum die Regierungschefin haben wird. Denn Präsident Saied hatte Ende September eigentlich angekündigt, per Dekret zu regieren und weite Teile der Verfassung außer Kraft zu setzen. Kritiker befürchten daher, dass sie kaum eigene Schwerpunkte setzen kann.

"Ich hätte mir gewünscht, dass die erste weibliche Regierungschefin in einem demokratischen Kontext nominiert worden wäre. Dann hätte sie wirklich zeigen können, dass eine Frau durchaus in der Lage ist, dieses Land zu führen", sagt Selim Kharrat, Mitglied der tunesischen Watchdog-Organisation Al Bawsala. Er befürchte, dass es sich bei ihrer Ernennung vor allem um Symbolpolitik handelt und "dass sie von Kais Saied instrumentalisiert wird, um den Westen mit dieser Geste zu besänftigen. Einer Geste, die keinen Wert hat."

Angriff auf Journalisten

Bouden Romdhane war vor ihrem Amtsantritt Professorin für Geologie und zuletzt Generaldirektorin im Ministerium für Hochschulen und wissenschaftliche Forschung. Dort war sie unter anderem für die Koordinierung eines Programms der Weltbank zur Beschäftigungsförderung zuständig.

Wie lange ihre Regierung im Amt bleiben wird, ist offen. Saied hat angekündigt, dass er das Wahlgesetz und die Verfassung ändern und diese Änderungen dann in einem Volksentscheid legitimieren lassen will. Einen klaren Zeitplan für diese Maßnahmen hat er jedoch bisher nicht genannt.

In der Zwischenzeit mehrt sich auch in Tunesien die Kritik an der Machtübernahme, und der Ton zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidenten verschärft sich. Am vergangenen Sonntag demonstrierten unter starker Polizeipräsenz in der Hauptstadt mehrere tausend Menschen gegen den Präsidenten. Dabei wurden mehrere Journalisten angegriffen, denen die Demonstranten Parteilichkeit für Saied vorwarfen. Ein Journalist des staatlichen tunesischen Senders Al Wataniya wurde mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. (Sarah Mersch aus Tunis, 14.10.2021)