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Wien – Ikea kommt in Österreich ohne finanzielle Einschnitte durch die Pandemie. Der schwedische Einrichtungskonzern zählt zu den wenigen Gewinnern der Krise. Seine Umsätze stiegen hierzulande im abgelaufenen Geschäftsjahr zum zweiten Mal in Folge um rund fünf Prozent. Abstriche bei den Gewinnen machte man keine, zieht Rodolphe De Campos, Finanzchef des Konzerns, im Gespräch mit dem STANDARD Bilanz. "Wir haben alle unsere Mitarbeiter weiterbeschäftigt, niemanden in Kurzarbeit geschickt und keine Staatshilfen bezogen."

3.800 Beschäftigte setzten trotz Lockdowns mehr als 887 Millionen Euro brutto um. Kann sich die Belegschaft infolge dessen auf höhere Löhne und Corona-Prämien freuen? Man zahle im Handel wie in der Gastronomie seit drei Jahren über dem Niveau des Kollektivvertrags ein Mindestgehalt von 1.800 Euro brutto, sagt De Campos. Darüber hinaus gebe es Bonussysteme. Probleme, nicht ausreichend Personal zu finden, habe Ikea keine. "Für 370 offene Stellen in Wien gab es 8.000 Bewerbungen."

Online geht durch die Decke

249 Millionen haben die Schweden 2020/21 über Onlinegeschäfte verbucht. Ikea baute den E-Commerce-Anteil innerhalb eines Jahres von 16 auf 28 Prozent aus. De Campos rechnet damit, dass sich dieser mittelfristig bei 22 bis 25 Prozent einpendelt. Sein Konzern sucht dafür die Nähe zum Kunden.

In Einkaufszentren der Spar-Gruppe entstehen derzeit in Villach und Wiener Neustadt auf 80 Quadratmetern neue Stationen für Einrichtungsberatung. Parallel dazu investiert Ikea in größeren Städten in sogenannte Planungsstudios: Nach Dornbirn und St. Pölten ist nun Linz dafür im Gespräch.

Wer dort Ware bestellt, soll auf ein immer dichteres Netz an Abholstationen zugreifen können, teils rund um die Uhr. Ikea kooperiert dafür neben der Rewe künftig auch mit Storebox. Der Anbieter von Lagerflächen mietet sich in leerstehende Geschäftsflächen ein. Der Testlauf mit zwölf Standorten startet in Wien.

Umstrittene letzte Meile

Hart in Kritik der Gewerkschaft stehen widrige Arbeitsbedingungen und Dumpinglöhne entlang der letzten Meile zum Konsumenten. Handelskonzerne bedienen sich dafür externer Partner, die Aufträge meist wiederum an kleine Subunternehmer übergeben. Wie Ikea die prekäre Beschäftigung rund um die wachsende Hauszustellung in den Griff bekommen will?

De Campos spricht von strengen Vorgaben, unangekündigten Kontrollen und kurzfristigen Verträgen mit Partnern. Bei Verstößen würden diese gekündigt, sagt er und verweist auf einen entsprechenden Fall vor zwei Jahren. Ob Ikea neben der neuen Flotte an E-Trucks auch eigenes Personal für Lieferungen einsetzen wird, sei noch nicht entschieden.

Große neue Einrichtungshäuser in Österreich schließt De Campos aus. Der neue City-Ikea am Wiener Westbahnhof soll dem Konzern in der Bundeshauptstadt 40 Millionen Euro Umsatz zusätzlich bringen. "Wir haben mehr Leben in den Bezirk gebracht." Die Kannibalisierung mit anderen Standorten sei weniger stark als erwartet. Ikea zähle am Westbahnhof täglich 11.000 Kunden, um 3.000 mehr als bei Ikea in Vösendorf, rechnet der Finanzchef vor. Diese kauften allerdings um die Hälfte weniger als am Stadtrand.

Lieferprobleme bei 15 Prozent des Sortiments

Engpässe bei zahlreichen Rohstoffen belasten auch die Schweden. Durch eigene Produktionen in Europa habe man Lieferketten vielfach jedoch in eigener Hand, was die Situation erleichtere, sagt De Campos. Dennoch seien einzelne Produkte zeitweise nicht verfügbar, unterm Strich sei rund 15 Prozent des Sortiments betroffen. "Ab dem Frühjahr 2022 sollte sich die Situation aber entspannen."

Keine Entspannung zeichnet sich im Konflikt mit Umweltorganisationen ab. Zu den Vorwürfen rund um Raubbau und illegale Rodungen in Rumäniens Urwäldern gesellt sich scharfe Kritik an den Arbeitsbedingungen in bulgarischen Textilfabriken, die für Ikea Pölster, Sofabezüge und Bettdecken fertigen. Veronika Bohrn-Mena, Sprecherin der Bürgerinitiative für ein Lieferkettengesetz, erzählt von Monatslöhnen, die jüngst um 100 auf 400 Euro gekürzt wurden. "Ikea Österreich ist nicht bereit, sich damit ernsthaft auseinanderzusetzen, fühlt sich nicht zuständig und hält lieber sein Saubermacherimage hoch."

"Freundliche Worte" reichen nicht

"Es geht uns sehr wohl etwas an, wir können als österreichischer Händler jedoch nicht direkt eingreifen", entgegnet De Campos. Ikea arbeite mit höheren Standards als gesetzlich vorgegeben. Das gelte auch für die bulgarische Produktion. "Wir denken in Generationen. Mit Rohstoffen sauber zu wirtschaften, ist in unserem Interesse", meint er mit Blick auf Rumänien.

Bohrn-Mena sind "freundliche Worte" zu wenig. Ihre NGO hat einen Anwalt damit betraut, rechtliche Schritte gegen Ikea Österreich rund um unlauteren Wettbewerb zu prüfen. (Verena Kainrath, 14.10.2021)