Foyer und Theatersaal sind modernst ausgestattet, in der Farbgestaltung vielleicht ein wenig zu bunt", heißt es in der Österreichischen Film und Kino Zeitung im Dezember 1960, Ausgabe Nr. 752. "Es wäre wohl nicht notwendig gewesen, im Saal, wo man aus akustischen Gründen zehn verschiedene Plattenarten verwenden mußte, jeder Plattengruppe eine andere Farbe zu geben. Deshalb paßt auch der zarte, feine Pastellton des ungemein gut gelösten Vorhangs nicht zu den übrigen Farben."

Oh doch! Und wie er das tut! Cineasten, Gartenbau-Freaks und Viennale-Suchtleinwändler sind sich einig darin, dass das letzte große Einsaalkino Wiens genau deshalb so speziell ist. Weil all die hier verwendeten Farben so harmonisch-disharmonisch aufeinanderprallen. Manfred Wehdorn, seines Zeichens Architekt und Leiter der soeben fertiggestellten Sanierungsarbeiten, 79 Jahre alt, erinnert sich noch daran, wie der Gartenbau-Erbauer Robert Kotas bei der Eröffnung des "GBK" (Fan-Fachsprache) dereinst laut von sich gab: "Gebt der Stadt Farben!"

Foto: Chris Mavrič

Jetzt hat die Stadt ihre Farben wieder. Nach siebenmonatiger Umbau- und Sanierungsphase – das Kino wurde ausgeweidet, komplett restauriert und technisch nach heutigem Stand der Technik ertüchtigt – wurde das GBK vor wenigen Tagen, rechtzeitig zur Viennale, feierlich wiedereröffnet. Der erste Eindruck: schaut aus wie immer. Man muss erst aufmerksam hinsehen und die Details mit den eigenen Erinnerungsbruchstücken abgleichen, um zu erkennen, wie im Foyer, an der Bar und an den Leuchten, die als elegant geschwungene Schwanenhälse in die Luft ragen, minimale Veränderungen und Rückführungen in den Originalzustand stattgefunden haben. Gesamtbudget 3,35 Millionen Euro.

"Vor ein paar Tagen hat mir jemand gesagt, dass wir das Gartenbaukino eh ganz schön geputzt haben", sagt Wehdorn, ein auf Sanierungen und Denkmalpflege spezialisierter Architekt, der in seinen Studienjahren das GBK regelmäßig besuchte, als vor den großen Filmvorführungen die Wiener Kaufhäuser und Damen- und Herrenausstatter allabendlich noch Modeschauen veranstalteten. "Natürlich kränkt einen das ein wenig, wenn der Aufwand nicht erkannt wird, andererseits ist das Nichterkennen der baulichen Maßnahmen für einen Architekten, der im Denkmalschutz tätig ist, das größte Kompliment, das man sich nur vorstellen kann."

Sehr guter Erhaltungszustand

Die Umbauarbeiten betreffen vor allem drei Bereiche: Erstens wurde das gesamte Kino mit einer neuen Lüftungsanlage ausgestattet. Die alte Maschine ging vor rund 15 Jahren kaputt, und die klimaarabischen Konsequenzen kennen alle, die hier mal den 228-minütigen Lawrence von Arabien in der 70-Millimeter-Version gesehen haben. Zweitens wurde das Kino den heutigen Brandschutzbestimmungen angepasst, so etwa auch bei den zum Teil stoffbezogenen Wandkassetten oder den 736 Klappsesseln, die neu aufgepolstert und mit neuen, behutsam ausgewählten Textilien bezogen wurden. Und drittens – und das war die eigentliche Doktorarbeit an diesem Projekt – wurde das gesamte GBK in Absprache mit dem Österreichischen Bundesdenkmalamt (BDA) wieder in seinen ursprünglichen baulichen Zustand rückgeführt.

"Das große Glück an diesem Objekt ist, dass es generell in einem sehr guten Erhaltungszustand war", erklärt Katharina Roithmeier, BDA, Abteilung für Wien. Für ein Gebäude, das seit so langer Zeit so intensiv in Benützung war, machte das Kino noch einen sehr guten, authentischen Eindruck. Die erste denkmalpflegerische Maßnahme war daher die tiefgreifende Befundung aller Originalteile." Unter Denkmalschutz steht nicht nur die architektonische Hülle, sondern auch die gesamte Inneneinrichtung mitsamt zwei original erhaltenen Projektoren, die im Vorführraum nach wie vor ihre Dienste tun.

Dank alter Fotos konnte das florale Ornament wieder repariert und lückenlos rekonstruiert werden.
Foto: Chris Mavrič

Durch Zufall fanden sich noch ein paar alte Akustikplatten, mit denen einst der Plafond im Foyer verkleidet war. So konnte die alte Noppenplatte nachgegossen und hundertfach rekonstruiert werden. Die Einreich- und Detailpläne waren so gut dokumentiert, dass die meisten baulichen Details anhand von Kotas’ Planunterlagen überprüft oder rekonstruiert werden konnten. Und wo die Pläne nicht ausreichend Auskunft über Form und Farbe gegeben haben, konnte man sich anhand von Fotos aus dem Archiv beziehungsweise von Fans und ehemaligen Mitarbeitern weiterhanteln.

Genau solchen gesuchten und gefundenen Fotos beispielsweise ist zu verdanken, dass das florale Ornament in Gelb, Ocker und Grau über der Bartheke wieder repariert und – wo es zerstört war – lückenlos rekonstruiert werden konnte. Oder dass die Schwanenhalsleuchten im Foyer wieder nachgebaut werden konnten, nachdem Norman Shetler, Geschäftsführer des Gartenbaukinos, im Zuge der Planungsarbeiten eine Frau ausfindig machen konnte, die vor vielen Jahren eine fast baugleiche Leuchte aus dem ehemaligen Stadtkino am Schwarzenbergplatz ersteigert hatte.

"Alles in allem war die Sanierung ein schönes, spannendes Projekt, in dem sich viele glückliche Fügungen mit ebenso vielen persönlichen Anekdoten ergeben haben", erinnert sich Shetler. "Ohne den Enthusiasmus des Architekten, des Bundesdenkmalamts und auch der Wiener Bevölkerung, die uns mit Fotos, Geschichten und vor allem mit unterstützt hat, wären die Bauarbeiten schwieriger und langwieriger gewesen." Allein durch die Crowdfunding-Kampagne im Frühjahr 2021, erzählt Shetler, konnten fast 260.000 Euro auf die Beine gestellt werden. Die ersten 100.000 Euro trudelten in den ersten 48 Stunden ein.

Das erste Mal

Betritt man das neue alte GBK, fühlt es sich an, als würde man eine Zeitmaschine besteigen. Gleich, so scheint es, beginnt Stanley Kubricks dreistündiger Megaschinken Spartacus, so wie damals am Eröffnungstag am 19. Dezember 1960. Bei den Umbauarbeiten fand sich hinter einer nachträglich montierten Wandverkleidung übrigens noch eine Handvoll alter, knallroter Spartacus-Filmplakate mit Kirk Douglas, Tony Curtis und Peter Ustinov. Sie wurden konserviert und sind nun auf der Galerie im Foyer zu bestaunen. Da pocht das Cineastenherz. Oder, wie die österreichische Filmregisseurin Katharina Mückstein sagt: "Ich beneide jede Person, die zum ersten Mal ins Gartenbaukino kommt." Diese Möglichkeit haben jetzt alle noch einmal. (Wojciech Czaja, 17.10.2021)