Aspirin gilt als Alleskönner. doch zur Vorbeugung gegen Herzinfarkt wird es jetzt nicht mehr empfohlen.

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Es steht in großen Dosen in beinahe jedem US-Badezimmerschrank, manche Amerikaner werfen es gefühlt ein wie unsereiner Vitamintabletten: Aspirin. Wer einmal in den USA in einem Drugstore war, kennt die riesigen Familienpackungen, in denen das Schmerzmittel verkauft wird. Eines der Anwendungsgebiete: Die tägliche Einnahme zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall. Denn in den USA haben Ärztinnen und Ärzte genau das Menschen mit leicht erhöhtem Risiko empfohlen. Bis jetzt.

Denn diese Empfehlung wurde nun revidiert. Die von der US-Regierung ernannten unabhängigen Experten zur Prävention von Krankheiten (USPSTF) ziehen die Empfehlung für Menschen über 60, täglich den unter anderem in Aspirin enthaltenen Wirkstoff Acetylsalicylsäure einzunehmen, um das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls zu reduzieren, zurück. Menschen zwischen 40 und 59 mit einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber ohne Vorgeschichte, sollten ihren Arzt konsultieren und dann entscheiden, ob sie mit der regelmäßigen Einnahme beginnen wollten, so das Gremium am Dienstag.

Medizinische Kehrtwende

Diese Entscheidung ist eine Kehrtwende in der US-Medizin: In den USA ist die Einnahme von Präparaten mit Acetylsalicylsäure weitverbreitet, da der Wirkstoff blutverdünnend wirkt und somit einem Gerinnsel vorbeugen kann.

Seit 2016 empfiehlt das Expertengremium deshalb allen Menschen zwischen 40 und 50 Jahren die tägliche Einnahme von Acetylsalicylsäure-haltigen Präparaten, wenn sie ein erhöhtes Risiko von mindestens zehn Prozent haben, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Bei älteren Menschen mit erhöhtem Risiko sollte demnach über die Einnahme individuell entschieden werden.

Studien stellen diese Empfehlungen inzwischen aber in Frage. Auch die Experten verwiesen am Dienstag auf Hinweise, wonach das Risiko von inneren Blutungen, insbesondere im Gehirn oder im Darm, bei regelmäßiger Einnahme von Aspirin-ähnlichen Präparaten mit dem Alter zunehmen soll.

Gefahr von inneren Blutungen

"Die tägliche Einnahme von Aspirin kann dazu beitragen, Herzinfarkten und Schlaganfällen vorzubeugen, aber sie kann auch potenziell schwerwiegende Schäden verursachen, wie etwa innere Blutungen", erklärte der USPSTF-Vertreter John Wong. Die Vorteile des Medikaments reichten nicht aus, um dieses erhöhte Risiko auszugleichen.

In den USA wird Aspirin als Synonym für verschiedene Produkte mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure genutzt. Wie eine Sprecherin von Bayer, dem Hersteller des bekannten Schmerzmittels Aspirin, sagte, ist das deutsche Unternehmen von der Empfehlung nicht betroffen. Das für eine infarktvorbeugende Anwendung genutzte niedrig dosierte Aspirin-Präparat von Bayer werde in den USA gar nicht vertrieben, folglich gebe es keine Auswirkungen auf das Geschäft des Pharma-Riesens.

Die neuen Empfehlungen sind allerdings noch nicht endgültig. Sie werden bis Anfang November öffentlich zur Diskussion stehen. Von der Kehrtwende nicht betroffen ist zudem die bisherige Empfehlung für Patienten, die Acetylsalicylsäure-haltige Medikamente nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt einnehmen. (APA, kru, 14.10.2021)