Die Leitung von Dirigent Manfred Honeck war zuweilen undifferenziert.

Foto: Felix Broede

Erwin Schulhoff war Jazzmusiker, Dadaist, Surrealist und engagierter Kommunist. 1942 starb er in einem Lager der Nazis, nach dem Krieg geriet seine Musik völlig in Vergessenheit. Seit einiger Zeit erlebt der in Prag geborene Komponist eine zarte Renaissance.

Mit seinen Fünf Stücken für Streichquartett gelang Schulhoff auf dem Fest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik 1924 in Salzburg der Durchbruch. Schulhoff interessierte sich für alles, was modern war: "Ich habe eine außerordentliche Leidenschaft für modische Tänze, und es gibt Zeiten, da gehe ich Nacht für Nacht tanzen allein aus Begeisterung für den Rhythmus und aus unterbewusster Sinnlichkeit", schrieb er an Alban Berg. Nun setzte Manfred Honeck dessen Fünf Stücke für Streichquartett in der eigenen Bearbeitung für großes Orchester aufs Programm. Mit ihren wilden Rhythmen und üppigen Klängen sind die fünf Tänze dafür geradezu prädestiniert: vom schwungvollen Wiener Walzer, bei dem Pauken, Trommeln und Trompeten den Takt angeben, über einen süffigen Tango bis hin zu einem grotesk anmutenden, anarchistisch gefärbten Marsch.

Swing auf der Strecke

Nach einem kurzen Umbau auf der Bühne tauchten Orchester, Dirigent und Solist Rudolf Buchbinder den Goldenen Saal in das nächtliche New York der Zwanzigerjahre. 1925 hatte George Gershwin in der New Yorker Carnegie Hall sein Concerto in F uraufgeführt und es damit endgültig in den Kreis der bedeutendsten amerikanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts geschafft. Auf dem Weg nach Wien blieben der lässige Swing und die jazzige Leichtigkeit des Stücks allerdings nun auf der Strecke. Zu undifferenziert, zu aufgesetzt wirkt, zu schwerfällig klingt das Orchester, und auch Buchbinders Spiel fehlt es an Groove und Timing.

Routiniert ging es nach der Pause mit Tschaikowskis 6. Symphonie, der Pathétique, weiter. Wieder verlieren sich die Symphoniker unter der zuweilen undifferenzierten Leitung Honecks in den bombastischen Tutti-Passagen. Von den dynamischen Schattierungen (Wo hatte sich das Pianissimo versteckt?) und den abgründigen Zwischentönen, von Tschaikowskis Kampf zwischen Licht und Finsternis war hier nichts mehr übrig. Was bleibt, sind Pomp und falsches Pathos. (miri, 15.10.2021)