Dieser Mann umarmt Bäume und beschallt sie mit Naturholzklang: Pantha du Prince, Gast im Volkstheater.

Foto: Stephan Abry

Hochwasserfluten reißen westfälische Ortschaften mit sich fort, die Permafrostböden tauen: Der Menschheit steht ob ihrer Klimasünden das Schmelzwasser nicht nur bis zum Hals, sondern bis zur FFP2-Maske. Das Wiener Volkstheater setzt in seiner Veranstaltungsreihe The New Normal (15. bis 17. Oktober) die Alarmsignale des Klimakollapses zueinander in Beziehung. Oder, wie Dramaturg Matthias Seier sagt: "Wir greifen den Naturbegriff auf, der schon vor Beginn der Pandemie als heilige Kuh durchs Dorf getrieben wurde. Covid-19 hat jetzt ein Übriges getan: Die Mikroben führen das Lasso!"

Die Säle der Wissensvermittlung hallen seit längerem wider von Begriffen wie "Anthropozän". Sind wir noch zu retten? Ist die Klimakatastrophe nicht längst eingetreten? Was meinen wir eigentlich, wenn wir das Wort "Natur" unbedarft aussprechen? Seier und das Volkstheater-Leitungsteammitglied Christoph Gurk haben Diskussionen, Lectures und Performances zum Thema versammelt, ausdrücklich mit der Absicht, kühlen Kopf zu bewahren: "Wir verkneifen uns jeden vulgären Kassandra-Ton. Zugleich herrscht bei uns der Überdruss an der täglichen Katastrophenmeldung. Fast denkt man: Es ist ohnehin fünf nach zwölf, wir haben’s verkackt."

Für den Auftakt sorgt am Freitag Kulturwissenschafterin und Donna-Haraway-Übersetzerin Karin Harrasser (Nahräume des Wandels). Den Samstag erklärt man zum Tag der "Post-Pandemic Politics", angestoßen wird er von Impulsrednern wie dem Hamburger Medizinhistoriker Philipp Osten (über Seuchen). Die indische Globalisierungsforscherin Shalini Randeria denkt laut über die strukturelle Benachteiligung des Globalen Südens nach. Über Wien, das Wetter und über Löcher in der Kommunikation diskutieren am Wochenende Helga Kromb-Kolb, Natascha Strobl, Klimademonstrantin Lena Schilling und – samstags auf dem Podium – Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ).

Techno-Schall und Rauch

Auch künstlerisch lässt man sich keineswegs lumpen: Am Freitag führt der deutsche Techno-Intellektuelle Pantha du Prince seine Conference of Trees konzertant auf. Susanne Kennedy installiert mit I Am (VR) eine ihrer immersiv hochwirksamen Orakellandschaften. Ein Coup ist auch die Einladung von Thom Luz’ Schall-, Rauch- und Trockeneisnebelproduktion Girl from the Fog Machine Factory. Man hofft jedenfalls vonseiten der Veranstalter, "mit der Stadt Wien über das Aufgreifen brisanter Themen ins Gespräch zu kommen" (Seier). Ob das Volkstheater unter Kay Voges zur Clearing-Stelle werden kann: eine Agentur zur Abklärung hochbrisanter Fragen? "Klar", sagt Seier, "indem wir reflektieren und zugleich verführen." (Ronald Pohl, 14.10.2021)