Arapaima gigas ist im Amazonasbecken zuhause und zählt zu den größten Süßwasserfischen der Erde.

Foto: imago/Nature Picture Library

Der Bau von Dämmen, Straßen und Häusern entlang von Fließgewässern führt zum Verlust von frei fließenden Flüssen und den damit verbundenen aquatischen Lebensräumen. Dadurch sind große Wassertiere mit 30 Kilo und mehr, die sogenannte Süßwasser-Megafauna, gefährdet, warnen Wissenschafter, darunter der österreichische Gewässerökologe und Generaldirektor der deutschen Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Klement Tockner, im Fachjournal "Biological Conservation".

Süßwasser-Ökosysteme bedecken weniger als ein Prozent der Erdoberfläche, beherbergen aber mehr als zehn Prozent aller Arten und ein Drittel aller Wirbeltierarten. Doch die biologische Vielfalt in diesen Lebensräumen ist massiv bedroht, ihr Rückgang sei doppelt so stark in den Gewässern wie am Land oder im Meer, warnten Wissenschafter im Vorjahr bei der Vorlage eines Notfallplans zum Schutz und zur Wiederherstellung der biologischen Vielfalt in den Gewässern.

3.400 große Wasserkraftwerke geplant oder im Bau

Nun verweist ein Forscherteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin auf die andauernde Fragmentierung von Flüssen: Mehr als 3.400 große Wasserkraftwerke mit über einem Megawatt Leistung sind entweder geplant oder im Bau. Sollten sie alle realisiert werden, würden sie über 600 heute noch frei fließende Flüsse, die länger als 100 Kilometer sind, zerschneiden.

Besonders betroffen wären frei fließende Flüsse mit über 500 Kilometern Länge, die große Süßwassertiere beherbergen: 19 Prozent würden ihren frei fließenden Status verlieren. Über 260 neue Staudämme würden dann 75 große Flüsse wie den Amazonas, Kongo, Salween und Irrawaddy zerschneiden. Dadurch würden Wanderrouten der Süßwasser-Megafauna blockiert, was zu einer verminderten Fortpflanzung und genetischer Isolation führt.

Komplexen Anforderungen

"Megafauna-Arten, in deren Verbreitungsgebiet die frei fließenden Flüsse nur eine geringe Länge haben, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit vom Aussterben bedroht", erklärte der Erstautor der Studie, Fengzhi He, vom IGB. Er verweist auf die komplexen Anforderungen, die große Süßwassertiere an ihren Lebensraum haben. "Sie sind an das natürliche Fließverhalten angepasst, und viele müssen zwischen verschiedenen Lebensräumen wandern, um ihren Lebenszyklus zu vollenden", so der Wissenschafter.

Als Beispiel nennt er die Laich-Wanderung der meisten Störarten vom Meer in die Flüsse. Die Verbindung zwischen Meer- und Süßwasser sei für ihr Überleben unerlässlich. Auch andere große Fischarten wie der Mekong-Riesenwels und der Platin-Spatelwels würden über weite Strecken wandern, um sich fortzupflanzen. "Daher sind sie besonders anfällig für eine verminderte Durchgängigkeit", so Fengzhi He.

Nicht nur Fische gefährdet

Neben den wandernden Fischen seien auch andere große Tierarten wie Flussdelfine, Krokodile, Schildkröten und Riesensalamander gefährdet. So haben Staudämme beispielsweise zu einer starken Fragmentierung und Verschlechterung des Lebensraums des Gangesgavials geführt. Und durch Straßen, Gebäude und andere Infrastrukturen unterbrochene Verbindungen zwischen Flüssen und Ufergebieten führen zum Verlust von Lebensraum und erhöhter Sterblichkeit bei Krokodilen und Schildkröten.

Die Wissenschafter plädieren daher dafür, bei der Planung von Staudämmen zwischen der Integrität der Ökosysteme und der wirtschaftlichen Entwicklung der Regionen abzuwägen. Potenzielle Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, insbesondere auf bedrohte und empfindliche Arten, müssten dabei berücksichtigt werden. (APA, 14.10.2021)