Anfang Oktober kam es bei einer Corona-Demonstration in Wien zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtextremen und Gegendemonstranten.

Foto: Markus Sulzbacher

Die Zeiten der Bomberjacken und weißen Schuhbänder in den Springerstiefeln sind schon seit Ewigkeiten vorbei, auch Seitenscheitel im Hitlerjugendstyle sind in der Neonaziszene ebenfalls seit Jahren nicht mehr angesagt. Derzeit zählen betonte Männlichkeit, trainierte Körper und ein Auftreten, das jenem von Mitgliedern von Motorradklubs ähnelt.

Viele in der Szene geben sich als verschworene Gemeinschaft, als "Bruderschaft", wie sie sich gerne selbst bezeichnen. In Wien treten sie bei sogenannten Corona-Demonstrationen in Erscheinung und sind zur Stelle, wenn es zu Auseinandersetzungen mit antifaschistischen Gegendemonstranten und Gegendemonstrantinnen oder der Polizei kommt. Zuletzt kam es während und nach der Corona-Demonstration Anfang Oktober in Wien zu Scharmützeln mit Antifaschisten und Antifaschistinnen. Mit dabei waren auch Personen, die im Umfeld der "Tanzbrigade" zu finden sind, einer für die Szene untypischen Gruppe.

Ungewöhnlich, da ihre Mitglieder einerseits Techno-Musik hören, daher auch der Name, und sie andererseits einen liberalen Zugang zum Gebrauch von Drogen haben. In einem Anfang dieses Jahres auf der Homepage der deutschen neonazistischen Kleinstpartei "Der Dritte Weg" veröffentlichten Gespräch sagen sie offen, dass in der Tanzbrigade auch Personen zu finden sind, "die schon Erfahrungen mit verschiedenen Substanzen gemacht haben. Wer sich da für welches Laster entscheidet und wer wie feiert, ist Privatsache und wollen wir niemandem vorschreiben."

Drogengebrauch als Privatsache, das passt zur Technoszene, aber nicht unbedingt in das Weltbild von Rechtsextremen. Zwar werden bei behördlichen Hausdurchsuchungen immer wieder auch Drogen gefunden, aber keine rechtsextreme Gruppierung tritt für die Legalisierung von Drogen ein, sondern es wird Stimmung gegen Nutzer und Nutzerinnen gemacht.

Kampf- statt Wehrsport

In dem Interview mit dem "Dritten Weg" wird zeitgleich auch betont, dass einige Mitglieder sich selbst "von Alkohol und Zigaretten fernhalten" und einen gesunden Lebensstil pflegen, da diese Kampfsportler seien. Kampfsport, besonders Mixed Martial Arts (MMA), ist in den vergangenen Jahren an die Stelle von Wehrsportübungen getreten. Statt in Wäldern oder Weinbergen über den Boden zu robben, wird sich im Ring auf den "Endkampf der Kulturen", für den "Tag X" vorbereitet.

Dabei liefern sich die MMA-Kämpfer einen brutalen Schlagabtausch, bei dem fast alles erlaubt ist. In den Zeiten vor Corona tauchten Kampfsportler aus Österreich auch bei einschlägigen Events in Deutschland auf. Etwa beim "Kampf der Nibelungen", einer der zentralen Veranstaltungen der Szene, bei der Kontakte geknüpft und gepflegt werden.

Selbst versteht sich die "Tanzbrigade" als "Gegenpol zur Antifa" und als "Anlaufstelle für heimatverbundene Personen in der Technoszene". Öffentlich geben sich Mitglieder der Gruppe selten zu erkennen, selbst im Netz halten sie sich betont zurück. Ihre Aufkleber hingegen sind in Wien an vielen Orten zu finden.

Kontakte zu den Identitären

Neben Kontakten zum "Dritten Weg" existieren auch enge Verbindungen zu Personen rund um Gottfried Küssel, der seit Jahren als Säulenheiliger der Szene gilt und der regelmäßig bei Corona-Demonstrationen auftritt und bei Kundgebungen seiner "Corona-Querfront" öffentliche Reden schwingt.

Zwischen den Identitären und der Tanzbrigade gibt es zwar ideologische Differenzen, aber auch zu dieser Gruppe bestehen gute Kontakte. Der Tanzbrigade sind die Identitären zu soft, auch wird kritisiert, dass diese sich von der Neonaziszene distanzieren. Allerdings marschierten Mitglieder der Tanzbrigade bei Demonstrationen der Identitären mit, und es bestehen persönliche Kontakte zwischen Aktivisten der beiden Gruppierungen.

Kontakte zu den Identitären

Nachdem die Symbole der Identitären und deren Spin-off "Die Österreicher" verboten wurden, macht die Gruppierung weiter wie bisher. Sie setzen als "Wiener Wehrmänner", "Patrioten im Widerstand" oder "Widerstand in Bewegung" sogar noch stärker auf Aktivismus. So stürmten sie das Pastoralamt der Diözese Linz, um sich zu fotografieren, wie sie ein Transparent mit den Worten "Ihr Blut eure Schuld" hochhielten. Eine Aktion, die ihnen die gewünschten Schlagzeilen brachte. Das Label "Identitäre" oder "Die Österreicher" nutzen sie kaum mehr.

Die Personen der Tanzbrigade nutzen hingegen die Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie für ihren Aktivismus. Dabei kommt ihnen zugute, dass sie von anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Kundgebungen geduldet beziehungsweise unterstützt werden, wenn es etwa gegen "die Antifa" geht. (Markus Sulzbacher, 17.10.2021)