Die schier ewig andauernde Corona-Krise hat ein wenig den Schwung aus dem Leben der Teenagertochter genommen. Zu Beginn des Schuljahres war daher ein wenig Motivation angesagt, verbunden mit dem einen oder anderen Vorschlag zur Freizeitgestaltung: "Gitarre?" – "Nein!" "Klavier?" – "Nie wieder!" "Dann doch noch Ballett?" – "Papa!" Es ist wichtig für junge Mädchen, dass sie Nein sagen lernen, für den Boomer-Vater aber ist das natürlich eine Herausforderung. Gibt es denn gar nichts, worauf man sich einigen könnte? Also letzter Versuch: "Kickboxen?"

Es dauerte drei Tage und ein paar Gespräche mit den Freundinnen, dann hieß es: "Vielleicht." Nach weiteren drei Tagen: "Okay, wo sollen wir hingehen?" Ein Freund, ein Schrank, hatte mir die Nummer von Bettina Pernstich gegeben, mit dem Hinweis: "Die ist leiwand, die ist streng, die wird ihr guttun." Er selbst hatte bei ihr im Dan-Kampfsportcenter am Wiener Gürtel Boxen trainiert. Also handelte ich mit dem Nachwuchs folgenden Deal aus: "Wenn du anfängst, ziehst du das auch durch!" "Jaja. Was muss ich mitnehmen?" "Ein großes Handtuch."

Bettina Pernstich (47) wuchs in Leopoldsdorf bei Wien auf. Mit 16 Jahren begann sie als eine der Jüngsten im Universitätssportzentrum auf der Schmelz die Sportlehrerausbildung. Mit 18 war sie fertig und ziemlich gut in so ziemlich allem: Leichtathletik, Tennis, Squash, Badminton etc. Sie spielte Damenfußball in der Wiener Liga und absolvierte mit dem Handballteam Spiele im Ausland. Und sie konnte richtig schnell laufen.

Bettina Pernstich (Mitte) trainiert nur Frauen und Mädchen. Sie bietet einen Mix aus Erziehungsarbeit, Training und Selbstbewusstseins-Coaching.
Foto: Christian Fischer

Aber irgendwie war’s das alles nicht für sie. Sie wollte einen Einzelsport machen, Arme und Beine trainieren, sich verteidigen können. Wenn sie nachts in die Stadt fuhr oder nach Hause, dann erlebte sie, was jede Frau irgendwann erlebt: "Du siehst drei Typen aussteigen, eine Unterführung vor dir, es ist finster …" Sie wünschte sich mehr Selbstbewusstsein, eine bessere Ausstrahlung, eine andere Haltung. "Wenn du ein bisschen was kannst, dann strahlst du das aus", sagt sie.

Sie begann mit Vollkontakt-Taekwondo. Nach drei Jahren war sie Staatsmeisterin. "Taekwondo ist super", ist sie noch heute begeistert, "weil der Anzug gebügelt sein muss, du dich vor dem anderen verbeugst und Stopp Stopp heißt. Du lernst Regeln und Disziplin, du lernst Respekt." Aber sie wollte noch mehr, also fing sie an zu boxen, erlernte die zwölf Grundtechniken, schulte das Auge, trainierte ihre Koordination. "Du trainierst am Anfang nur die Gerade, zwei, drei Abläufe, die immer schneller werden müssen: Führungshand-Führungshand-Schlaghand, immer wieder. Technikschulung und Geschwindigkeit sind extrem wichtig."

Gute Ausbildung ist alles

Sie automatisierte die richtige, sodass sie in der von Männern dominierten Sportart sehr bald zwar akzeptiert war, aber doch Außenseiterin blieb. Es gab Burschen beim Sparring, die einen Schlag von ihr weniger gut wegsteckten als den von einem Kollegen, "wegen der verletzten Ehre". Bei der Ausbildung zur Boxtrainerin verlangte man ihr alles ab: physikalische Gesetze, Muskelaufbau, Wettkampfphasen. Sie sagt: "Es sind extrem viele Leute auf dem Markt, die meinen: Ich habe mal gekämpft, deswegen bin ich jetzt Trainer. Aber da steckt viel mehr dahinter!" Etwa ihre Erfahrung, dass man in jungen Jahren besser Schnelligkeitskomponenten als Ausdauer trainieren sollte.

"Man wird gar nicht angegangen, weil man Selbstbewusstsein ausstrahlt."

Später entdeckte Pernstich Kickboxen für sich, als ideales Mittelding zwischen Taekwondo und Boxen. Es gibt Vollkontaktkickboxen, Leichtkontakt, Lowkicks, Semikontakt, "wobei es in der Selbstverteidigung völlig egal ist, welche Art man praktiziert, man muss nur treffen. Und zwar richtig und im richtigen Moment." Es könne, sagt sie, einer der totale Spezialist sein in den Techniken, aber wenn er sich nicht hinhauen traut, hat er ein Problem.

Erziehung auf der Matte

Pernstich pachtete das Dan-Kampfsportcenter, in dem gemischt trainiert wurde; vor zwei Jahren stellte sie das Training um und konzentriert sich seither nur noch auf Frauen. Heute kommen alle Altersgruppen zu ihr, vom Teenager bis zur 60-jährigen Dame. Manche kommen wegen mangelndem Selbstbewusstsein, andere brauchen dringend Stressabbau. Die einen müssen aus sich herausgelockt werden, andere eher gezügelt.

Dabei leistet sie durchaus Erziehungsarbeit. Sie kann tatsächlich manchmal streng sein, "aber nur zu denen, die es verdienen", lacht sie. "Wenn die Mädls rumstehen und quatschen, dann haben sie wohl noch zu viel Energie. Dann gibt’s zehn Liegestütz mehr." Wenn manche mit dem gleichen, ungewaschenen Leiberl kommen, dann werden sie nett, aber bestimmt darauf hingewiesen. Oder sie fragt junge Mädchen, die nur herumstehen, ob sie nicht anderen beim Anlegen der Bandagen helfen könnten. Die Abläufe der Kampfsportart müssen sowieso gelernt werden, warum also nicht gleich in Kombination mit Lebensschulung? "Manchmal muss man ein bisschen Militärstil reinbringen", lacht sie, "damit sie merken, da steht wer vor ihnen."

Wenn Pernstich dann aber umgekehrt einmal ein Mädchen lobt, dann sieht sie, "wie ihm die Augen aufgehen, weil es endlich mal positiv wahrgenommen wird". Für Insta beim Sandsack herumstehen und sich selbst fotografieren – das geben die meisten schnell auf bei ihr. Viele verwirklichen einen Traum und beißen richtig rein. Mädchen, sagt sie, können sich auch mehr quälen als Burschen, und wenn sie richtig hinhauen, dann hört sie das: "Dann macht der Polster dieses bestimmte Geräusch", schwärmt sie. Dann weiß sie, dass ihre Arbeit Früchte trägt.

Viele verwirklichen einen Traum und beißen richtig rein.
Foto: Christian Fischer

Selbstbewusstsein wächst

Kann die Trainerin auch selbst das, was sie lehrt, im Ernstfall umsetzen? Sie lacht mit all dem Selbstvertrauen und Wissen, das sie sich mittlerweile antrainiert hat: "Ja!" Am besten sei aber: "Man wird gar nicht angegangen, weil man Selbstbewusstsein ausstrahlt." Wenn das nicht reicht, ist immer noch Davonlaufen das Beste. "Vernunft siegen lassen, jede Eskalation vermeiden, nicht provozieren." Lieber sagen: "Lass mich in Ruhe."

Wenn auch das nichts nützt, muss man die K.-o.-Punkte kennen und die Chance auf den einen Schlag nützen. Pernstich rät zu einfachen, schnellen Kicks. Zu geraden Schlägen auf das Kinn oder die Nase. "Da fangen die Augen sofort an zu tränen", sagt sie und lacht wieder ihr selbstbewusstes Lachen.

Die Teenagertochter hat Pernstich damit offenbar beeindruckt. Bis jetzt hat sie das mit dem Kickboxen nämlich eisern durchgezogen. (Manfred Rebhandl, 15.10.2021)