Vergangene Woche kam es zu mehreren Hausdurchsuchungen – unter anderem bei der Meinungsforscherin B.

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Die Meinungsforscherin B. muss nicht in Untersuchungshaft: "Die Voraussetzungen, die bei der Festnahme vorgelegen sind, liegen nicht mehr vor", begründet das ein Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Vor dem Ablauf der 48-stündigen Frist wurde kein Antrag auf U-Haft gestellt.

B. war an ihrer Privatadresse wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen worden – also der Gefahr, dass sie womöglich etwa Belege vernichtet oder andere Beschuldigte beeinflusst. Dem Vernehmen nach soll sie am Tag vor der Hausdurchsuchung in der vergangenen Woche die Daten einer Festplatte gelöscht haben. Ein Richter hatte die Anordnung der WKStA bewilligt. Angeblich soll B. daraufhin im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) einvernommen worden sein.

B. ist in die Causa rund um angebliche Inseratenkorruption involviert, es gilt die Unschuldsvermutung. Der Vorwurf lautet, dass die Meinungsforscherin Umfragen für die Tageszeitung Österreich mit dem Ziel manipuliert habe, Sebastian Kurz (ÖVP) einen Vorteil zu verschaffen.

Umfrage zu "Kern als Pizzabote"

Insgesamt soll B.s Agentur auf diese Weise 2016 100.700 Euro erhalten haben, im Jahr 2017 83.000 Euro. Zu den laut den Ermittlern bei Österreich für die ÖVP erstellten Studien gehört etwa eine Umfrage zu "Kern als Pizzabote".

Weitere angeblich fingierte Umfragen drehen sich rund um die Zustimmung bei einem Koalitionsbruch, die Bewertung von Sebastian Kurz und Christian Kern oder um steuerpolitische Fragen. Das soll auch über das Finanzministerium abgerechnet worden sein, geht aus Unterlagen der WKStA hervor.

Dass keine Gründe mehr für die Festnahme von B. vorliegen, könnte etliche Ursachen haben. Etwa dass B. mit den Behörden kooperiert hat oder dass die WKStA von Anfang an nicht ausreichende Voraussetzungen gesehen hat, um eine Untersuchungshaft durchzusetzen. Bisher hat die Meinungsforscherin keine Stellungnahme abgegeben. Ein Geständnis könnte für B. in einem möglichen Prozess mildernd wirken. So wäre eine Diversion möglich, wenn sie die angeblich ausbezahlten Beträge zurückzahlt und bei der Aufklärung der Causa mitwirkt.

Rufschaden

Ihre Karriere als Meinungsforscherin dürfte jedenfalls langfristig Schäden davontragen. So hat sich der Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs (VdMI) in einer Stellungnahme, die dem STANDARD vorliegt, von B. distanziert: "Die jetzt vorliegende Causa ist schockierend und erfordert eine Klarstellung unserer Branche", sagt die Vorstandsvorsitzende Edith Jaksch.

Weder B. noch die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), die ebenso im Bereich der Meinungsforschung tätig ist und in der Inseratenaffäre beschuldigt wird, seien jemals Mitglied des Vereins gewesen. B. habe sich vor Jahren bemüht, Mitglied zu werden, sei aber abgelehnt worden. Mitglieder des Verbands würden sich europaweiten Qualitäts- und BranchenStandards beugen.

Qualitätsstandards

Es gebe Kriterien für Wahlumfragen, insbesondere "Sonntagsfragen" würden eine Mindestgröße von 800 Befragten vorsehen und dürften nicht nur online erfolgen. Auch Redaktionen seien dazu angehalten, "gerade bei politischen Umfragen und speziell der sogenannten Sonntagsfrage auf die Einhaltung unserer Qualitätskriterien zu achten".

Dazu müsste man weg von "billigen Online-Umfragen" hin zu "einer qualitätsvollen, seriösen Zusammenarbeit".

Für B. und alle anderen Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. (Muzayen Al-Youssef, 14.10.2021)