In der Inseratenaffäre, die zum Rücktritt von Sebastian Kurz (ÖVP) als Kanzler geführt hat, geht es laut den Ermittlern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auch um mutmaßlich manipulierte Umfragen. Die beschuldigte Meinungsforscherin Sabine B. wurde zwischenzeitlich festgenommen und ist nun wieder auf freiem Fuß. Welche Auswirkungen die Ermittlungen auf die Branche haben und wie sich gute von schlechten Umfragen unterscheiden, erklärt die Vorsitzende der Markt- und Meinungsforschungsinstitute, Edith Jaksch.

STANDARD: Frau Jaksch, wie erkenne ich als Laie eine gute Umfrage?

Jaksch: Eine gute Umfrage sollte in jedem Fall transparent sein. Dazu gehören der Auftraggeber, das Ziel der Studie, die Methode, der Erhebungszeitraum und das Sample, also die Anzahl der Befragten. Bei telefonischen Umfragen arbeiten wir mit generierten Nummern, jeder Telefonbesitzer kann also theoretisch angerufen werden. Bei Onlineumfragen hingegen fehlen oft ältere Menschen, da kann es leicht einen Bias geben. Verwendet man einen Mix aus den Methoden, kann man tatsächlich eine sehr gute und repräsentative Umfrage erstellen.

STANDARD: Gibt es auch Merkmale, die auf eine schlechte Machart hinweisen?

Wer mit krimineller Energie Umfragen manipulieren will, schafft das auch, sagt Edith Jaksch.
Foto: Andrea Indrich (Indrichfotografie.at, Tel. 0676/6203051)

Jaksch: Wenn die genannten Infos fehlen und es keine Transparenz gibt, kann ich als Leser die Umfrage nicht nachvollziehen und einordnen. Je nachdem, welche Zielgruppe eine Untersuchung hat, kann auch eine Onlineumfrage qualitativ gut sein. Bei den im Raum stehenden Vorwürfen, da geht es um die Sonntagsfrage ("Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Nationalratswahl wäre?", Anm.). Dafür sind reine Onlineumfragen nicht geeignet.

STANDARD: Sie haben die Vorwürfe gerade angesprochen. Eine Meinungsforscherin wird verdächtigt, Umfragen zugunsten von Sebastian Kurz manipuliert zu haben. Kann man Umfragen wirklich so leicht frisieren?

Jaksch: Kriminelle Energie kann man nie verhindern. Wenn jemand ein Ergebnis verändern will, kann er oder sie das ganz einfach tun. Das ist aber nicht die gängige Praxis. Wir im Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute haben ganz klare Qualitätskriterien, und diese müssen auch eingehalten werden. Das ist wie im Journalismus, ob man sauber arbeitet oder nicht, ist eine bewusste Entscheidung.

STANDARD: Für Sie haben Österreichs Meinungsforscherinnen und -forscher also kein Glaubwürdigkeitsproblem?

Jaksch: Nein, es handelt sich hier ganz klar um einen mutmaßlichen Kriminalfall, der beispiellos ist. Sie können von Medienmanager Wolfgang Fellner ja auch nicht auf alle Redaktionen dieses Landes schließen. Zur Qualität: Wir brauchen uns ja nur anzuschauen, wie nahe wir vor Wahlen an den tatsächlichen Ergebnissen sind. Nur ein Beispiel: In Deutschland wurden nach der Bundestagswahl die Meinungsforscher zu den Wahlsiegern erklärt, weil sie so nahe an den Endergebnissen dran waren. Ich habe mir das angeschaut: In Österreich sind wir bei unseren Wahlen viel näher dran gewesen als die besten deutschen Institute jetzt.

STANDARD: Sie nehmen aber auch Medien in die Pflicht. Warum?

Jaksch: Ich verstehe, dass auch Medien unter Druck stehen und nicht viel Geld für Umfragen zur Verfügung haben. Aber wer Qualität will, muss auch dafür zahlen. Telefoninterviews kosten einfach mehr als billige Onlineumfragen.

STANDARD: Muss sich in Ihrer Branche dennoch etwas ändern?

Jaksch: Nein, wir im Verband arbeiten gut, seriös und sauber. Alle unsere Mitglieder halten sich an die Qualitätskriterien. Die beschuldigte Meinungsforscherin B. wollte ja Mitglied bei uns werden. Wir haben sie aber abgelehnt, weil sie diese Qualitätskriterien nicht erfüllt hat. Wir wollen uns immer verbessern, aber aus dieser Causa heraus gibt es für uns keinen Handlungsbedarf. (Matthias Balmetzhofer, 15.10.2021)