Um seine unrühmliche Vergangenheit bereinigt, soll Liebermanns "Dorfhäuser mit Sonnenblumen" nun zwischen 70.000 und 90.000 Euro einspielen.

Foto: Ketterer Kunst

"Dorfhäuser mit Sonnenblumen" lautet der Titel eines Gemäldes des deutschen Impressionisten Max Liebermann, in dem er 1890 eine ländliche Idylle samt Komposthaufen im Vordergrund verewigte. Die jüngere Geschichte des auf Holz gemalten Werks nimmt sich allerdings weniger idyllisch aus, wenngleich ein positiver Abschluss bevorsteht, wie aus einer Presseaussendung von Ketterer Kunst hervorgeht.

Wie das Münchener Auktionshaus vergangene Woche informierte, gelangt das Bild im Rahmen eines Restitutionsvergleichs im Dezember zur Versteigerung.

"Kunstwerke wieder marktfähig zu machen, die durch verfolgungsbedingten Verlust jüdischen Eigentums belastet sind", betont der Chef des Hauses Robert Ketterer, sei "ein wichtiger Fokus unserer Arbeit." Fast "zwei Jahre Recherchezeit" habe man "benötigt, um die dramatischen Details ans Licht zu bringen".

Sammlung Georg Cohn

In aller Kürze: Das Gemälde gehörte einst Georg Cohn, einem in Breslau angesiedelten Bankdirektor, der 1924 verstorben war. Über den Erbweg gelangte es in den Besitz seiner Witwe, die von den Nationalsozialisten aus der Heimat vertrieben wurde. Sie starb im Exil, ihre Tochter überlebte in Schottland. Nicht so der Sohn, der mit Frau und Kind in Auschwitz ermordet wurde.

Die vor ihrer Flucht bei einer Spedition eingelagerten Habseligkeiten waren im Herbst 1941 beschlagnahmt worden, darunter auch eine Sammlung von Gemälden. In weiterer Folge war das Liebermann-Bild über einen gewissen Hermann Petschel, einen Versteigerer und Taxator, an das Schlesische Museum für bildende Künste in Breslau verkauft worden.

In den 1950er-Jahren gelangte es schließlich über eine Galerie in München in deutschen Privatbesitz, zuerst nach Hessen, später nach Aschaffenburg.

Lücke in der Provenienz

Worüber die Presseaussendung des Auktionshauses nicht informierte: Das Gemälde war im Dezember 2011 schon einmal bei Ketterer versteigert worden. Für 109.800 Euro (inkl. Aufgelds, netto 90.000 Euro) wechselte es zum damaligen Schätzwert in österreichischen Besitz. Von einer problematischen Vergangenheit war zu diesem Zeitpunkt freilich nichts bekannt, trotz "sorgfältiger Prüfung", wie das Auktionshaus auf Anfrage mitteilt.

Im Jahr 2011 hatte das Auktionshaus die Angaben aus dem Werkverzeichnis übernommen. Ein österreichischer Käufer erwarb es für 109.800 Euro.
Screenshot: STANDARD, Onlinekatalog Ketterer Kunst

Dass der Name "Georg Kohn" in den Provenienzangaben angeführt wurde, sei erwähnt. Diese Information hatte man aus dem Liebermann-Werkverzeichnis übernommen, das vor dem Tod des Bankiers erschienen war. Dass die Herkunftsgeschichte eine frappante Lücke aufwies, ging aus den Angaben jedoch nicht hervor.

Als der österreichische Eigentümer das Bild 2019 wieder bei Ketterer verkaufen wollte, prüfte man die Provenienz neuerlich und wurde schließlich der Vorgeschichte gewahr.

Heiße Spur Gurlitt

Den Hinweis lieferte die Causa Cornelius Gurlitt, konkret das Dossier zu einem anderen Liebermann-Werk, das im Mai 2015 an die Erben nach David Friedmann restituiert wurde: "Reiter am Strand" (1901), das einen Monat später bei Sotheby’s 2,6 Millionen Euro einspielte. Auch dieses Bild war von Petschel an das Breslauer Museum verkauft worden. Eine Parallele, die sich in den Akten des Museums schließlich ebenso für das Liebermann-Bild Cohns bestätigte.

Details zu der nun von Ketterer vermittelten "fairen und gerechten Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien" sind auf Anfrage nicht in Erfahrung zu bringen. Von einer Aufteilung des Erlöses ist auszugehen. Ob die löbliche Klärung für den Österreicher auch mit einer herben monetären Einbuße verbunden ist, wird sich weisen. Der aktuell veranschlagte Schätzwert beläuft sich auf 70.000 bis 90.000 Euro. (Olga Kronsteiner, 16.10.2021)