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E-Scooter boomten bereits vor der Pandemie. Sie sind nur ein kleiner Teil der Zukunft, die Hersteller für die Mikromobilität in Städten sehen.

Foto: REUTERS/Nick Carey

Sie waren seit ihrem Auftauchen ebenso beliebt wie verhasst: die E-Scooter. Für manche Menschen haben sie Gehen oder Radfahren in der Stadt beinahe ersetzt, sind wahrgewordener Freiheitstraum und praktische und schnelle Fortbewegung zugleich. Für andere stehen sie meist im Weg, blockieren Gehsteige oder Radwege und gefährden Fußgänger. Trotz der Kritik ist die Zahl der Scooter in vielen Städten der Welt in den Jahren vor der Pandemie gewaltig gewachsen, und die E-Roller waren auch während der Pandemie – gemeinsam mit der wachsenden Zahl an E-Bikes – für viele das Fortbewegungsmittel, um größere Menschenansammlungen in öffentlichen Verkehrsmitteln zu vermeiden.

Doch hinter den Kulissen der bekannten städtischen Minitransportmittel entsteht bereits eine neue Generation an Fahrzeugen, die den Boom der sogenannten Mikromobilität auf ein neues Niveau heben will. Noch schnellere E-Bikes oder kleine überdachte Fahrräder sollen die Zukunft für die Fortbewegung in Städten sein – zumindest für einen guten Teil der Bevölkerung, so die Vision der Hersteller. Damit soll der Verkehr nicht nur individueller, sondern auch grüner werden. Doch noch stoßen die Pläne auf einige regulatorische Hürden und nicht wenige Sicherheitsbedenken.

Schnelleres E-Bike

Einer von jenen Herstellern, die mit ihren Gefährten bereits schneller sind als die Regulierung in vielen Städten, ist das niederländische Unternehmen VanMoof. Vor einigen Tagen kündigte das Unternehmen an, mit Ende des kommenden Jahres ein Hochgeschwindigkeits-E-Bike auf den Markt zu bringen. Das "VanMoof V" soll in der Lage sein, bis zu 50 Stundenkilometer schnell zu fahren – weit mehr als die 25 Stundenkilometer, auf die E-Bikes in Europa derzeit meist begrenzt sind.

Bei dem E-Bike sind zwei wuchtige Räder an einem Aluminiumrahmen montiert, die sowohl vorne als auch hinten angetrieben werden. Es soll zunächst in den Niederlanden, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA verkauft werden und rund 3.000 Dollar kosten. Das Rad soll künftig vor allem zum Ersatz für das Auto werden, heißt es von VanMoof.

So soll das neue Highspeed-E-Bike aussehen.
Foto: VanMoof

Regulatorische Hürden

Doch im Moment wäre ein solches Gefährt auf Europas Straßen nicht zugelassen. Eine Sonderregulierung der EU für sogenannte Hochgeschwindigkeits-E-Bikes schreibt vor, dass diese nicht schneller als maximal 45 Stundenkilometer unterwegs sein dürfen beziehungsweise dass sich ab dieser Geschwindigkeit der unterstützende Motor ausschalten muss. Zudem müssen die Besitzer solcher Fahrzeuge einen Moped-Führerschein besitzen sowie eine Haftpflichtversicherung abschließen und dürfen damit nur auf der Straße, nicht aber auf dem Radweg fahren.

Nicht zuletzt deshalb lobbyiert VanMoof im Zuge seines neuen Produkts in der EU und bei Stadtregierungen, die Regulierungen an die schnelleren E-Bikes anzupassen. Das Unternehmen schlägt beispielsweise vor, die schnellen E-Bikes auf Radwegen fahren zu lassen, aber die Geschwindigkeit der Radfahrer mithilfe von Geofencing zu begrenzen. Mithilfe dieser Technologie soll das E-Bike erkennen, wenn es sich in Zonen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen befindet, und im Anschluss seine Geschwindigkeit automatisch drosseln.

Die Fahrradkapsel

Einen etwas anderen Weg hat kürzlich der deutsche Fahrradhersteller Canyon eingeschlagen. Das Unternehmen stellte im vergangenen Jahr ein Liege-E-Bike auf vier Rädern vor, das ein Hybrid aus Fahrrad und Elektroauto sein soll. Das Fahrzeug soll relativ leicht und klein sein und mit der überdachten Kapsel gleichzeitig vor Wind und Regen schützen. Diese soll sich bei Bedarf auch öffnen lassen und noch Platz für einen Kindersitz, kleines Gepäck oder Einkäufe bieten. Mindestens 150 Kilometer weit soll es das Fahrzeug mit einer Ladung schaffen, so Canyon.

Laut dem Hersteller soll das Fahrzeug sowohl auf der Straße als auch auf dem Radweg unterwegs sein. Fährt das Gefährt auf der Straße, soll es bis zu 60 Stundenkilometer schnell fahren können. Wechselt es dann bei Stau etwa auf den Radweg, soll sich die Geschwindigkeit per Knopfdruck auf 25 Stundenkilometern drosseln lassen, heißt es von Canyon.

Das Liege-E-Bike, das Canyon im Rahmen des Future Mobility Concepts vorgestellt hat.
Foto: Canyon/Future Mobility Concept

Eher noch Konzept

Noch aber ist das Liege-E-Bike mehr Konzept als Realität und von der Marktreife weit entfernt. Bis es in Europa so weit ist, könnte es daher noch eine Weile dauern. Dass das Fahrzeug dann auch für Radwege zugelassen sein könnte, scheint aber eher unrealistisch. Auch der Wechsel zwischen Leichtfahrzeug und Pedelec während des Betriebs, wie es bei dem Fahrzeug möglich sein soll, ist derzeit nicht erlaubt.

Etwas weniger elegant sieht da im Vergleich das Mini-E-Auto aus, das Frank Stronach im vergangenen Monat präsentierte. Die orangen Dreiräder namens Sarit, für die kein Führerschein benötigt werden soll, sollen am Ende mit einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern unterwegs sein und bis zu 80 Kilometer weit fahren. Produziert werden soll das Fahrzeug in Kanada, aber auch in der Steiermark.

Mini-Autos wie das Sarit sind die Zukunft des Verkehrs, glaubt der Unternehmer Frank Stronach.
Foto: APA/Ingrid Kornberger

Platzsparende Transportmittel

Mobilitätsforscher wie Andreas Knie halten von Konzepten wie jenen von Canyon allerdings wenig. "Es geht darum, platzsparende Lösungen zu finden, und nicht darum, den Raum mit neuen Mini-Autos vollzustellen", sagt Knie, der am Wissenschaftszentrum Berlin tätig ist, zum STANDARD. Dabei steht Knie der Mikromobilität selbst, angetrieben etwa durch die E-Scooter, durchaus positiv gegenüber. "Mikromobilität ist strategisch wichtig, um das Problem der letzten Meile zu lösen", sagt er. Damit meint er den Weg, der beispielsweise von der U-Bahn-Station bis zur Haustür zurückgelegt werden muss.

In Zukunft brauche es aber eine viel bessere digitale Vernetzung zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und Mikromobilitäts-Angeboten: Beispielsweise könnte über eine App bei einer Fahrt mit E-Scootern oder Bike-Sharing gleich eine Öffi-Fahrkarte enthalten sein, sagt der Experte.

Neuer Radweg

Und was ist mit den künftig noch schnelleren E-Bikes, wie sie etwa VanMoof vorschlägt? "Es bleibt irrsinnig, Fahrräder schneller als 40 Stundenkilometer fahren zu lassen. Dafür sind die Proportionen einfach nicht ausgelegt", sagt Knie.

Auf jeden Fall brauche es in Zukunft aber eine neue Form des Radweges, der auch den vielen neuen Verkehrsmitteln gerecht wird. "Wenn der Platz ausreichend ist, kann man dann auch stärker zwischen den einzelnen Teilnehmern am Radweg differenzieren, etwa mithilfe einer zweiten Fahrspur. Was langsam ist, bleibt langsam, und das Schnelle wird dann noch schneller." Mit der derzeitigen Breite des Radweges, wie sie etwa in Deutschland oder Österreich meist Standard ist, sei da jedenfalls wenig zu machen. (Jakob Pallinger, 22.10.2021)