Wien – Die Meinungsforscherin Sabine B. wurde nach ihrer Festnahme am Dienstag wie berichtet am Donnerstag wieder enthaftet. Sie wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigte in der Causa Inseratenkorruption rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Thomas Schmid geführt. Einer der Vorwürfe betrifft mutmaßlich gekaufte und frisierte Polit-Umfragen in "Österreich" und auf oe24.at. Es gilt die Unschuldsvermutung. In den Ermittlungen geht es um vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Studien. B. hat selbst und später mit ihrem Unternehmen Research Affairs diverse Studien für das Ministerium erstellt.

Umfragen 2021

Auch 2021 führte B. einige Umfragen durch, in denen es vor allem um die Positionen der ÖVP ging und die die Meinung der Kanzleipartei unterstützten. Sie veröffentlichte dazu Aussendungen via APA-OTS und die Studien teilweise auf ihrer Website. Dort werden sie als "Eigenstudien" angegeben. Ob oder von wem sie in Auftrag gegeben oder finanziert wurden, ist unklar. Eine Auswahl:

Arbeitsminister Kocher und der Druck auf Arbeitslose

Am 10. Juli 2021 verschickte B. eine Aussendung mit dem Titel "ÖsterreicherInnen sprechen sich klar für Druck auf unwillige Arbeitslose aus". Demnach würden sich 74 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher für Sanktionen beim Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe aussprechen, um Arbeitslose, die zumutbare Jobs nicht annehmen, zu "motivieren". Hintergrund: Wenige Tage zuvor forderte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) mehr Strenge vom AMS bei Arbeitsunwilligkeit und trat damit eine Diskussion über das Arbeitslosengeld los.

Der Befund von B. und Research Affairs damals: "ÖVP-WählerInnen befürworten den Vorschlag des Arbeitsministers am stärksten (92 Prozent)." In der Aussendung fasst sie ihre Ergebnisse so zusammen: "Gerade jetzt nach der Corona-Krise wünscht man sich, dass die Wirtschaft wieder angekurbelt wird. Jeder einzelne Bürger kann etwas dazu beitragen. Für unwillige Arbeitslose hat man kein Verständnis."

Arbeitsminister Martin Kocher.
Foto: Michael Indra via www.imago-images.de

Staatsbürgerschaftsdebatte

Am 20. Juni veröffentlichte B. eine Studie zum Thema Staatsbürgerschaften. "ÖsterreicherInnen sprechen sich gegen eine Erleichterung des Zugangs zur Staatsbürgerschaft aus". 63 Prozent der Befragten würden den SPÖ-Vorschlag ablehnen, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu erleichtern, laut 85 Prozent der Befragten sollte die Vergabe der Staatsbürgerschaft mit der Erbringung von Leistungen (wie z. B. Deutschkursen) gekoppelt sein.

Hintergrund: Die SPÖ forderte am 9. Juni einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren rechtmäßigen Aufenthalts. In Österreich geborene Kinder sollten automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen. Eine strikte Ablehnung dieser Pläne kam damals von den ÖVP-Ministern Karl Nehammer und Susanne Raab sowie von der FPÖ.

Die Erleichterung des Zugangs zu Staatsbürgerschaften war im Juni ein Thema.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Kanzler Kurz und Sputnik

Am 31. März war der russische Impfstoff Sputnik Thema einer Umfrage von Meinungsforscherin B. und ihrem Research-Affairs-Institut. Das Ergebnis: "Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen steht dem Impfstoff Sputnik V positiv gegenüber. 69 Prozent der Bevölkerung sprechen sich für einen Ankauf von Sputnik V aus."

Hintergrund: Kurz zuvor verhandelten das Bundeskanzleramt und Sebastian Kurz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über mögliche Lieferungen des russischen Impfstoffs nach Österreich.

Ende März 2021 trafen sich der russische Botschafter Dmitri Ljubinski und Kanzler Sebastian Kurz zu einem Gespräch über eine mögliche Beschaffung von Sputnik V.
Foto: Martin Juen via www.imago-images.de

Abschiebungsdebatte im Februar

Anfang Februar erstellte B. für "Österreich" eine Umfrage zum Asyl- und Fremdenrecht, diese Umfrage schickte "Österreich" am 4. Februar 2021 per OTS aus. Ihr Befund: "76 Prozent sind gegen Lockerung von Asylgesetzen." Nach drei Abschiebungen war zu dem Zeitpunkt der koalitionäre Asylstreit im Gang. Laut der Umfrage von B. waren damals 58 Prozent mit der Abschiebung der drei Mädchen einverstanden.

"Nur 42 Prozent fanden es falsch, die Abschiebung durchzuführen", so ihr Fazit in "Österreich". Damals stimmten die Grünen im Parlament gegen Anträge der Opposition, in denen ein humanitäres Bleiberecht und die Rückholung der abgeschobenen Kinder gefordert wurden.

Demos gegen die Abschiebung dreier Mädchen im Jänner 2021.
Foto: APA/HANS PUNZ

Regionale Corona-Maßnahmen

Am 22. März lieferte B. eine Studie über Corona-Maßnahmen zu regionalen Lockerungen und Verschärfungen. Das Ergebnis: "Drei Viertel der ÖsterreicherInnen sprechen sich für regionale Corona-Maßnahmen je nach Infektionszahlen aus. Besonders Anklang findet dieser Vorschlag unter TirolerInnen (79 %) und SteirerInnen (78 %)."

Hintergrund: Anfang März hatte sich Sebastian Kurz für regionale Maßnahmen starkgemacht und angekündigt, dass die Regierung auf regionale Lockerungen setze.

Anfang März verkündete die Regierung regionale Lockerungen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

(ae, 15.10.2021)