Viel Rummel auf der Fensterbank: draußen entspannt die Taube, drinnen legen Bewohner ungeliebte Stücke ab

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Der neue Lieblingspulli (türkis mit zwinkerndem Katzen-Cartoon-Gesicht) hat früher einer anderen Hausbewohnerin gehört. Oder einem Bewohner. Der Schnitt fällt eher weit aus. Ich kenne sie oder ihn nicht. Denn den Pulli habe ich aus unserem Bermudadreieck; einem Fensterbrett im Mezzanin unseres Gründerzeithauses, auf dem Bewohnerinnen und Bewohner neben Kleidung auch schon mal Gesichtscremen, Nagellack, Kochtöpfe, Bettwäsche, Bilderrahmen, Büromappen und Marmeladen zur freien Entnahme abstellen. Und einmal war sogar ein Blech Marillenkuchen dabei.

Alles verschwindet

Während manche dieses Eck als Sperrmüllablage bezeichnen, liebe ich diesen Ort. Jeden Tag gibt es neue Kuriositäten zu entdecken. Man würde nicht glauben, was Menschen besitzen, und noch viel weniger, was andere gebrauchen können. Denn: Der Name ist Programm. Auf der Fensterbank verschwindet wirklich alles. Glühwein im Frühling, rostige Gabeln, abgebrannte Kerzenstumpen oder Tee mit Schokoladengeschmack. Nichts bleibt zurück.

Zumindest bis vor wenigen Tagen. Das Bermudadreieck ist eskaliert, oder besser gesagt: explodiert – und musste kurzerhand schließen. Allein ein Stück Papier blieb zurück. Handgeschrieben und mit Smiley-Stickern untermauert erklärte der Vermieter, dass die "Tauschbörse" überhandgenommen habe, dass der Bereich von der Fensterbank auf den Fußboden ausgeweitet worden war und das so nicht gehen könne.

"Partyzone – do not enter"

Die Trauer hielt nicht lange an. Bereits eine halbe Stunde später war der Zettel verschwunden. Das Bermudadreieck hat ihn offenbar verschluckt. Anstelle der Nachricht liegt da nun ein Absperrband mit der Aufschrift "Partyzone do not enter". Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Obwohl, doch: Putzmittel und ein Bierkühler haben sich wenig später dazugesellt. (Julia Beirer, 15.10.2021)