Thomas Schmid trat am 1. April 2019 seinen Job als Öbag-Chef an – ungestört arbeiten konnte er nur kurze Zeit, dann drangen stückweise Chats von seinem Handy nach außen.

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Es ist sehr leicht, jemanden zu finden, der über Thomas Schmid schimpft. Die politische Opposition sowieso; die Mitbeschuldigten langsam auch; aber selbst innerhalb der Volkspartei ist Schmid eine Persona non grata geworden. Er sei der "Totengräber der Nation", richtete ihm ein hochrangiger Berater von Altkanzler Sebastian Kurz erst diese Woche aus.

So schnell geht es in der Politik: "Du machst das echt großartig", lobte ihn der ÖVP-Chef vor Jahren, als alles nach Plan lief. Kurz bedankte sich immer wieder für Schmids Freundschaft, die sich in gemeinsamen Abendessen und Wandertouren zeigte. Vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss im Sommer 2020 klang das dann schon deutlich gedämpfter: "Ich bin weder mit ihm in die Schule gegangen, noch ist er ein Jugendfreund, noch fahren wir gemeinsam auf Urlaub, aber ich würde sagen, wir haben immer freundschaftlich gut zusammengearbeitet", sagte Kurz da über Schmid. Und vergangene Woche, nach den großen Hausdurchsuchungen, war Schmid für Kurz ein "Mitarbeiter des Finanzministeriums", gegen den sich die Vorwürfe richten.

Es ist sehr schwierig, jemanden zu finden, der gut über Thomas Schmid spricht. Wenn, dann passiert das nur im Hintergrund; abseits der Mikrofone. Da ist die Rede von einem "irrsinnig loyalen" Menschen, der das zerfaserte Finanzministerium zusammengehalten und zu einer vorbildlich strukturierten Organisation gemacht habe. Der Tag und Nacht arbeitete, sehr kommunikativ war und von vielen für seine spitze Zunge geschätzt wurde. Der "immer versucht hat, Lösungen zu finden" – und der vor allem Sebastian Kurz nahezu abgöttisch "verehrt" hat. Womöglich so sehr, dass er deshalb sogar kriminell wurde. Die WKStA beschreibt es nüchtern: "Die Freundschaft zwischen Kurz und MMag. Schmid ist durch eindeutiges Über- und Unterordnungsverhältnis geprägt."

Die Demut habe gefehlt, sagt Schmid Vertrauten

Mit Blick auf die hunderten Chats, die von Thomas Schmids Handy an die Öffentlichkeit drangen, lassen sich diese Beschreibungen nicht widerlegen – aber sie erscheinen in einer so extremen Form, dass sie schon fast karikaturhaft überzogen wirken. Der ganzen Partie habe Demut gefehlt, soll Schmid einmal zusammengefasst haben, sich selbst eingeschlossen.

Dabei begann der gebürtige Tiroler eigentlich "ganz unten", knüpfte beim Forum Alpbach Kontakte und stieg dann als Trainee beim damaligen EU-Abgeordneten Paul Rübig in Brüssel in die Politik ein. Schmid soll damals eine bescheidene Persönlichkeit gewesen sein; aufgewachsen nahe Kitzbühel und nach Wien gekommen, um Jus und Politikwissenschaft zu studieren. Aber der Zug zur Macht und zu wichtigen Persönlichkeiten sei schon damals ausgeprägt gewesen.

Schmid fügte sich gut ein in das schwarz-blaue Umfeld. Jahrzehntelang ging es dauernd nach oben, wurde Schmid selbstbewusster und sein Netzwerk immer verzweigter. Im Jahr 2004 stieß er als Pressereferent ins Finanzministerium, zum mittlerweile nicht rechtskräftig verurteilten Karl-Heinz Grasser, der da gerade von der FPÖ zur ÖVP gewechselt war. Weiter ging es zu Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP), dann ins Parlament zum gerade abgelösten Altkanzler Wolfgang Schüssel, den Schmid glühend verehrt haben soll.

Er traf früh die Zukunft der ÖVP

Und dann nahm Schmids Karriere so richtig Fahrt auf, weil er jene Leute traf, die das nächste Jahrzehnt in der ÖVP prägen sollten: Bei Außenminister Michael Spindelegger, intern liebevoll "Spindi" genannt, waren alle versammelt. Spindelegger hatte den Jungpolitiker Sebastian Kurz unter seine Fittiche genommen, ebenso dessen Vertrauten Gernot Blümel. Schmid sprach ab März 2009 für Spindelegger, gemeinsam mit einem gewissen Diplomaten namens Alexander Schallenberg.

Vier Jahre später, als Spindelegger ins Finanzministerium wechselte, beförderte er seinen Sprecher: Schmid wurde Kabinettschef, im Jahr 2015 dann auch noch Generalsekretär. Erstmals in seinem Leben war Schmid, der einst mit der Vespa zur Arbeit ins Ministerium gefahren war, in einer sehr mächtigen Position. Als Generalsekretär war er die entscheidende Schnittstelle zwischen politischem Kabinett samt Minister und der Beamtenschaft. Bald kannte er das Haus in- und auswendig und hatte die Zügel in der Hand. Mit jedem Ministerwechsel bedeutete das mehr Macht: Als Hans Jörg Schelling von Spindelegger übernahm, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als Schmid zu vertrauen. Unter Hartwig Löger verschärfte sich das noch einmal – vor allem weil Löger sein Kabinett angeblich ohne großes Mitspracherecht vom Team Kurz präsentiert wurde. Kein Wunder, dass Schmid, genau wie sein Pendant Christian Pilnacek in der Justiz, bald als "wahrer Minister" galt.

Hyperkommunikativ und fleißig

Aus dieser Zeit sind die ersten Chats erhalten, sie zeigen Schmid als fast manisches Arbeitstier, als hyperkommunikatives Wesen. Er prahlte schon im April 2016 damit, dass Außenminister Kurz "jetzt Geld scheißen" könne, und soll laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einen illegalen Inserate- und Umfragendeal mit der Mediengruppe Österreich abgeschlossen haben, nachdem sein Minister Schelling dort kurz zuvor Inserate streichen wollte.

Schmid hatte da längst erkannt, dass die Zukunft der ÖVP aus Namen wie Kurz und Blümel bestehen würde. Für "Gernot" organisierte er Dinner mit hochrangigen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, die in seinem wertvollen Telefonbuch gespeichert sind: mit dem damaligen Novomatic-Chef Harald Neumann oder mit Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner. Um einen tiefen Scherz war nie Schmid nie verlegen, ebenso wenig um Kraftausdrücke. "Dresscode?", fragte Blümel vor seinem Dinner. "Lingerie", antwortete ihm Schmid.

Später, als er auf dem Höhepunkt seiner Karriere steht, wird Schmid unter anderem über Chats wie diese stolpern. Die Liste solcher Nachrichten ist lang: Ohne Diplomatenpass müsse er "reisen wie der Pöbel"; die Kolleginnen im Kabinett seien "wie eine Folge Vorstadtweiber". Eine Bekannte sei "schiach", schreibt er einem Pressesprecher; sein Assistent "ein Riesenbaby". Schmid ist gut im Austeilen, und vor allem: enthemmt. Aus den Chats spricht aber auch eine Prise Selbstironie. Wegbegleiter schwören, dass er auch einstecken konnte. "Work hard, play hard": Das scheint das Motto gewesen zu sein – davon zeugen auch schnell wieder eingestellte Ermittlungen abseits der Korruptionsvorwürfe. Von seinen Mitarbeitern erwartete Schmid das Gleiche, erzählen ehemalige Untergebene: Effizienz, Ausdauer, Leistung. Er sei ein "Motivator" gewesen, die Arbeit mit ihm habe Spaß gemacht.

Das große Ziel

Über alldem schweben zwei Ziele: Erstens lechzte Schmid nahezu nach lobenden Worten von Sebastian Kurz; die dieser aber sparsam verteilte. Für ein "Super danke vielmals !!!!" musste Schmid den Generalsekretär der Bischofskonferenz einschüchtern, nachdem die Kirche die Asylpolitik der türkis-blauen Regierung kritisiert hatte. Einmal bedankte sich Schmid sogar dafür, dass ihn Kurz "betoniert" habe, nachdem er einem Dritten zu viel über Kurz' Pläne verraten habe: "Das macht eine Freundschaft aus. Wir haben gestern geplaudert. Ich war einfach zu unachtsam. Das tut mir leid. Ich bin einer deiner Prätorianer der keine Probleme macht sondern löst." "Wir halten das aus", antwortete Kurz kühl.

Zweitens wollte Schmid weiter aufsteigen – aber nicht zum Minister, dafür kennt er dessen Job zu gut. Er wollte Chef der Staatsholding werden. Den Umbau der damaligen Öbib zu einer modernen Öbag trieb er als Generalsekretär im Finanzministerium selbst voran. Auch an der Ausschreibung wirkte er mit. Es sind peinliche Chats, die später dazu nach außen dringen: Da jammerte Schmid, er sei "nicht international erfahren", deshalb müsse man den Ausschreibungstext für den Alleinvorstand ändern. Ab Winter 2018 lag sein gesamter Fokus auf der Öbag; dorthin wollte er zwei enge Vertraute mitnehmen; ansonsten aber aufräumen, auch den Betriebsrat entfernen: "Weg damit", schrieb er. Und: "Andere Ideologien; Fu** that."

Aber welche Ideologie hatte Schmid? Politische Inhalte gibt es in den ausgewerteten Chats nahezu keine. Wenn die Rede von Gesetzen oder anderen Reformideen war, dann ging es immer um einen anderen Zweck als das Inhaltliche: Wem nützt das, wem schadet das – und wer schuldet mir dafür einen Gefallen? Durch seine persönlichen Erlebnisse dürfte Schmid vom Gedanken beseelt gewesen sein, dass man alles aus eigener Kraft schaffen kann, wenn man nur hart genug dafür arbeitet, sagen Weggefährten. "Leistung muss sich lohnen" also, und als Leistung galt für ihn wohl auch, das richtige Netzwerk zu haben.

Das Glück weilte nur kurz

Im April 2019 kam Schmid endlich an seinem Ziel an: Als Alleinvorstand der neuen Staatsholding Öbag war er zwar Chef, blieb aber trotzdem in der zweiten Reihe der Politik. Er verwaltete Beteiligungen der Republik in Höhe von über zwanzig Milliarden Euro und wurde selbst fürstlich entlohnt. Doch der Amtsantritt mit 1. April 2019 wirkt rückblickend wie ein furchtbarer Aprilscherz, auch für Schmid selbst. Sein Glück währte nur kurz: Sechs Wochen später brachte das Ibiza-Video die Republik ins Taumeln, dann folgten weitreichende Korruptionsermittlungen. Schmid löschte in Erwartung einer Hausdurchsuchung hektisch sein Handy, doch Ermittler fanden im November 2019 ein Backup.

Es war der Anfang vom Ende: Bei einem Termin durfte Schmids Anwalt zwar gemeinsam mit Vertretern der WKStA unzählige persönliche Fotos und Nachrichten löschen; doch die Vielzahl an Chats mit Politbezug blieb in den Händen der Ermittler.

Peu à peu drangen die teils entlarvenden Chats nach außen, während Schmid versuchte, sich als Öbag-Chef zu beweisen. Dort soll er gut performt haben, sagen manche Insider: Er schloss wichtige Syndikatsverträge mit Partnern aus dem Ausland ab; er und seine Kandidatinnen und Kandidaten erhielten bei Aufsichtsratswahlen hohe Zustimmung. Ein anderer Beteiligter sieht das kritischer: Schmid habe nach unten getreten, nach oben gebuckelt und jene um den Finger wickeln wollen, deren Gunst ihm Vorteile bringt. Andere habe er eingeschüchtert und niedergemacht.

Als 2021 Chats publik wurden, in denen Schmid despektierlich über künftige Öbag-Aufsichtsräte schrieb ("steuerbar"), war es vorbei.

Als alles herauskam, folgte Schmid dem Rat seiner Freunde: "Geh ins Ausland, aber nicht um unterzutauchen, sondern um Abstand zu gewinnen und zu reflektieren." Zur Ruhe kam er aber auch dort nicht: Auch jetzt, bei den massiven Vorwürfen, die Kurz die Kanzlerschaft kosteten, spielt Schmid eine zentrale Rolle. Und angeblich ist erst etwas mehr als ein Drittel der 300.000 Chats in Händen der WKStA ausgewertet worden. Kein Wunder, dass sich in den vergangenen Tagen ein neues Gerücht in Wien verbreitete: Schmid soll überlegen, in der Hoffnung auf Strafmilderung auszupacken. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 15.10.2021)