Na geht doch: Wenige Wochen nach der Veröffentlichung von Android 12 im Quellcode folgt nun so etwas wie die zweite offizielle Freigabe der neuen Betriebssystemgeneration. Google hat die Updates für die eigene Pixel-Reihe zum Download gestellt. Trotz der ungewohnten Verzögerung sind die Nutzer der Google-Smartphones damit – jenseits eines besseren Tests von Xiaomi in China – die Ersten, die auf offiziellem Weg all die Neuerungen des Updates erhalten – und das sind eine ganze Menge.

Wer alles gerne bis ins letzte Detail wissen will, der sei auf unseren ausführlichen Test sowie einen zusätzlichen Hintergrundbericht verwiesen, der auf die weniger sichtbaren – aber nicht minder wichtigen – Änderungen eingeht. Wer hingegen bloß die wichtigsten Dinge wissen will, für den haben wir im Folgenden noch einmal die wichtigsten Highlights knackig zusammengefasst.

Ein komplett neues Designsystem

Oft passiert es, dass sich die Nutzer nach dem Upgrade auf eine neue Softwareversion denken: Und? Was hat sich da jetzt geändert? Diese Gefahr besteht bei Android 12 kaum. Unter dem Namen "Material You" hat Google dem Betriebssystem ein weitreichendes Redesign verpasst. Kaum ein grafisches Element, das nicht angepasst wurde: Von Schaltern über Dialoge bis zur verwendeten Schrift und zahlreichen neuen Animationen ziehen sich die Umbauten. Bestimmend für den Look ist aber vor allem das "You" im Namen, wird es doch individueller. Dabei werden aus dem Hintergrundbild automatisch mehrere Farbpaletten erstellt, aus denen die Nutzer wählen können und die dann quer durchs System verwendet werden – von Highlights bis zum Hintergrund bei Dialogen. Das mag seltsam klingen, funktioniert in der Praxis aber verblüffend gut und gibt dem Ganzen einen persönlichen Touch. Noch eine wichtige Anmerkung dabei: Wem diese Farbspiele zu bunt sind, der kann sie auch gezielt deaktivieren.

Android 12 auf einem Pixel 5
Foto: Proschofsky / STANDARD

Klingt also alles sehr gut, ein einschränkender Faktor bleibt dabei aber, und der ist in der Realität der Android-Welt begründet: Google gewährt den Herstellern sehr viele Freiheiten bei der Gestaltung der Oberfläche, insofern ist unklar, welche davon das neue System übernehmen werden. Aktuelle Testversionen von Samsung zeigen dabei, dass man ein ähnliches Farbsystem einführen will, andere Hersteller könnten hingegen zunächst zuwarten.

Widgets, neu erfunden

Ein paar der neuen Widgets unter Android 12.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Eines ist unumstritten: Widgets hatte Android lange – um genau zu sein: sehr lange – vor Apples iOS zu bieten. Gleichzeitig wirkte das dahinter stehende System zunehmend veraltet und somit auch nur mehr schwach genutzt. Mit Android 12 verpasst Google dem gesamten nun eine Generalüberholung, samt zahlreichen neuen Möglichkeiten für Entwickler – sowohl in optischer als auch funktioneller Hinsicht. Der Android-Hersteller geht dabei selbst mit gutem Beispiel voran und hat vielen seiner Apps bereits neue Widgets spendiert. Auch hier greift übrigens wieder das Farbsystem von "Material You". Die Widgets passen sich im Look nämlich den den direkt unter ihnen liegenden Farben des Bildschirmhintergrundes an. Wer ein solches Element verschiebt, kann also gut beobachten, wie sich das Aussehen von Position zu Position verändert.

Das Privatsphärendashboard

Transparenz ist beim Thema Privatsphäre ein zentraler Punkt. Immerhin geht es nicht notwendigerweise darum, jeden Zugriff auf persönliche Daten zu verhindern. Eine Navigations-App, die keinen Zugriff auf den Standort hat, wäre etwa ziemlich sinnlos. Eine Diktier-App ohne Nutzung des Mikrofons ebenso. Gleichzeitig gibt es aber immer wieder Apps, die einmal erteilte Berechtigung für zweifelhafte Datensammelzwecke missbrauchen. Transparenz hilft den Nutzern dabei, dies zu unterscheiden und so eine bewusste Entscheidung zu treffen.

Mit dem Privatsphärendashboard gibt Google den Nutzern nun ein mächtiges Tool an die Hand, um zu sehen, was so auf ihrem Gerät passiert. Wird darin doch etwa haarklein verzeichnet, welche App wann in den vergangenen 24 Stunden auf Standort, Mikrofon oder Kamera zugegriffen haben. Und weil die Frage immer wieder kommt: Ja, das inkludiert auch Google-Dienste. Wer will, kann sich sogar Systemservices anzeigen lassen, wobei man bei der Interpretation dieser Ergebnisse dann schon etwas technisches Fachwissen haben sollte, immerhin agieren diese meist im Auftrag anderer Apps, woraus man falsche Schlüsse ziehen könnte. Bei anderen Berechtigungen gibt es zwar keine solche Timeline, aber ob eine App auf diese im erwähnten Zeitraum zugegriffen hat, wird auch hier angezeigt. In Summe vielleicht die wichtigste Neuerung von Android 12 – und eine, die auch bei den Geräten sämtlicher Anbieter landen wird.

Wichtige Fortschritte für die Privatsphäre: Ein Dashboard, gibt nun Auskunft über den aktuellen Zugriff auf sensible Berechtigungen. Zudem können Kamera und Mikrofon gezielt deaktiviert werden.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Kamera, Mikrofon, Standort: Besser abgesichert

Direkt an dieses Thema schließen andere Verschärfungen rund um die Nutzung sensibler Daten an. So ist es mit Android 12 möglich, den Zugriff auf Kamera und Mikrofon systemweit zu deaktivieren, es gibt sogar eine passende Schnelleinstellung dazu. Und wenn diese beiden Komponenten dann doch einmal genutzt werden, gibt es entsprechende Warnsignale in der Statuszeile des Systems.

Beim Standort gibt es wiederum eine andere Verbesserung. Die Nutzer können nun nämlich selbst entscheiden, ob sie einer App nur einen ungefähren oder doch einen exakten Zugriff auf den eigenen Standort gewähren wollen. Damit wird das Risiko des Missbrauchs solcher Daten weiter reduziert, immerhin kann man mit ungefähren Informationen erheblich weniger anfangen und vor allem keine exakten Bewegungsprofile erstellen. Google rät insofern auch App-Entwicklern, künftig generell nur mehr dann den exakten Standort anzufordern, wenn das auch unbedingt notwendig ist – also etwa für Fitness-Apps. Eine Wetter-App braucht solch detaillierte Informationen hingegen definitiv nicht, und fragt sie doch danach, können die Nutzer das gezielt ablehnen.

Strukturelle Verbesserungen

Bei fünf Punkten sei dem Autor zumindest einer gegönnt, der ein etwas sperriges Thema behandelt, okay? Also: Während oberflächliche Neuerungen leichter zu vermitteln sind, so bleibt doch die Realität, dass sich neue Android-Generationen zumeist vor allem durch ihre strukturellen Verbesserungen auszeichnen. Und Android 12 hat in dieser Hinsicht zwei riesige Brocken zu bieten, die langfristig wichtige Verbesserungen bei Privatsphäre, aber auch dem langfristigen Update-Support versprechen.

Zunächst wäre dabei der sogenannte "Private Compute Core" (PCC) zu nennen. Dabei handelt es sich um eine Art Hochsicherheitsbereich für sensible Datenverarbeitung. Gedacht ist das vor allem für lokale Maschinenlernaufgaben, wie Wortvorschläge anhand des Getippten oder auch die Verarbeitung von Sprache. Der PCC läuft dabei in Form einer virtuellen Maschine isoliert vom restlichen System, hat etwa gar keinen Internetzugriff. Aus der Nutzerperspektive ist das sowohl in Hinblick auf Privatsphäre als auch Sicherheit ein großer Fortschritt beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz direkt am Smartphone.

Mit Android 12 beginnt Google damit den Kernel von Android komplett in die eigene Hand zu nehmen. Strukturell gesehen ist das ein riesiger Schritt für das Betriebssystem – und einer der seit Jahren in Entwicklung war.
Grafik: Google

Ein zweiter großer Schritt ist das sogenannte "Generic Kernel Image" (GKI). Wie vielen bekannt sein dürfte, bildet der Linux-Kernel die Basis von Android. Allerdings kocht hier bisher jeder Hersteller sein eigenes Süppchen, was einen massiven Wartungsaufwand mit sich bringt und oftmals auch dazu führt, dass wichtige Fehlerbereinigungen nicht bei allen Geräten landen. Mit dem GKI nimmt Google das Thema nun zentral in die Hand, es gibt also vereinheitlichte Kernel, die von den Herstellern mit Modulen erweitert werden können. Das verspricht einmal mehr eine massive Reduktion des Wartungsaufwands für alle Beteiligten – bis auf Google – und damit potenziell längere Update-Zeiten.

Beides sind wie gesagt nicht nur sperrige Themen, sondern auch welche, die erst langfristig ihre volle Wirkung entfalten werden. So dürfte Googles Pixel 6 das erste Gerät sein, das beide Dinge in vollem Umfang unterstützt. Trotzdem sollte man nicht vergessen: Dass in den vergangenen Monaten einige Android-Hersteller den Update-Zeitraum für ihre Smartphones verlängert haben, ist exakt solchen Umbauten in früheren Android-Generationen zu verdanken.

Verfügbarkeit

Android 12 steht ab sofort über die Update-Funktion direkt auf sämtlichen Google-Smartphones ab dem Pixel 3 zur Verfügung. Da die neue Version je nach Gerät bis zu zwei Gigabyte groß ist, empfiehlt es sich den Download in einem WLAN vorzunehmen – außer man hat gerade eine sehr gute Mobilfunkverbindung sowie einen unlimitierten Vertrag.

Wann die nächsten Hersteller folgen, ist derzeit noch unklar, aber es könnte flotter als gewohnt gehen. So hat Google vor einigen Wochen betont, dass die ersten Updates von Samsung, Oneplus, Oppo, Realme, Tecno, Vivo und Xiaomi noch vor Ende des Jahres erhältlich sein sollen. Bei einigen dieser Hersteller laufen derzeit auch bereits entsprechende Testprogramme. (Andreas Proschofsky, 19.10.2021)