Matthias Strolz, Ex-Neos-Parteichef.

Foto: STANDARD/Regine Hendrich

Das ist gemein! Matthias Strolz hat alles schon im Jahr 2017, als Sebastian Kurz die ÖVP übernahm, gewusst, und es dabei belassen, sein Wissen der Intimität seines Blogs anzuvertrauen, den offenbar niemand gelesen hat. So kann man sich doch nicht verhalten, wenn es gilt, sein Land vor einer Tragödie zu bewahren. Donnerstag hat die "Kleine Zeitung" den Skandal enthüllt. Strolz schrieb damals einen prophetischen Text über die wahrscheinlichen Folgen dieser Entwicklung. Und obwohl amtsbekannt ist, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt, gab sich der Vorläufer von Beate Meinl-Reisinger mit seiner Blogspende zufrieden.

Ich halte die (voraussichtlichen) Entscheidungen der VP-Spitzen für falsch – für unser Land, für die Volkspartei und auch für Kurz persönlich. Das alles wusste er, und konnte es auch wasserdicht begründen: Weil wir in Österreich keinen Westentaschen-Orbán brauchen; weil die Intrigen und Hinterhältigkeit beim Wegmobben von Reinhold Mitterlehner auf Kurz zurückfallen werden; weil die ÖVP nach dem Kurz-Hype gleichsam tot sein wird; etc. Damals sein Rat an Kurz: Wenn er ernsthaft und ehrlich eine neue politische Bewegung gründen wollte, muss er aus der Partei heraustreten. So wird er – auch wenn anfänglich der Hype groß sein wird – eine Säule der Zweiten Republik ziemlich demolieren, ohne dass nach seinem Abgang etwas Tragfähiges vorhanden sein wird.

Vorhersage

Strolz kann seinen Fehler von damals gutmachen, indem er uns heute ebenso klar vorhersagt, wie es nun mit der Installierung Schallenbergs in der Volkspartei weitergehen wird. Aber bitte nicht wieder nur in einem Blog, den keiner liest. Die Kurz-Episode ist eine vorhersehbare Tragödie für ihn persönlich, für die Partei und für unser Österreich, wusste er damals. Also heraus damit, welche Tragödien dem Land unter Schallenberg bevorstehen! Der Bundespräsident hat das Recht zu erfahren, wofür er sich als Nächstes entschuldigen muss.

Etwas langsamer von Begriff als Strolz sind die Mitglieder es ÖVP-Ethikrates. Ja, einen solchen gibt es, und wie die "Salzburger Nachrichten" Dienstag berichteten, muss er nun die Vorgänge in der Partei bewerten. Es ist schade, dass diesem Ethikrat kein Prophet vom Format eines Strolz angehört – was hätte er nicht alles verhindern können. Der Rat ist seit dem Bundesparteitag vom 12. Mai 2015 im Organisationsstatut der Partei verankert, wo-zu man nur sagen kann: Unter einem Parteiobmann Kurz hätt’s das nicht gegeben.

Die Grundlage für die Arbeit des Ethikrates ist der Verhaltenskodex, den die ÖVP für ihre Politikerinnen und Politiker beschlossen hat. Wenn dieser verletzt wird, dann schlägt der Ethikrat den zuständigen Parteigremien "geeignete Maßnahmen vor", die bis zum Parteiausschluss der gerügten Funktionäre führen können.

Strenger Maßstab

Wie viele versäumte Gelegenheiten! Wird die Arbeit des Ethikrates doch unter anderem folgendermaßen begründet: "Wer öffentliche Aufgaben wahrnimmt, hat eine Vorbildfunktion, er verkörpert die Sichtbarkeit eines guten politischen Verhaltens in Staat und Politik. Daher ist für politische Funktionsträgerinnen und Funktionsträger ein strenger Maßstab nicht nur bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben, sondern auch im allgemeinen Verhalten notwendig."

Sebastian Kurz würde jetzt zu Recht fragen: Warum immer ich? Schließlich muss er ein Organisationsstatut seiner Partei nicht kennen, das beschlossen wurde, noch ehe ihm die Vollmacht für alles übertragen wurde, und dem daher keinerlei Bedeutung zukommt, auch wenn sich Waltraud Klasnic als Ethikvorsitzende eine solche anmaßt.

Jeannée leidet

Einer, der schwer unter den Vorgängen dieser Woche litt, war Michael Jeannée. Fehler hin, Fehler her, Kurz ist über sein Talent gestolpert. Über seinen Ehrgeiz. Über seine Überlegenheit. Über seinen politischen Instinkt, klagte er Dienstag, und Erfolg aber wird hier niemandem verziehen. Mittwoch sattelte Jeannée um auf Respekt, Graf Schallenberg! Und das wohl begründet. "Hoi aristoi" bedeutet auf Altgriechisch "die Besten".Aus den griechischen "aristoi" wurden die deutschen Aristokraten, vulgo Aristos. Die Besten? Für mich, Alexander Graf Schallenberg, gehören Sie zu diesen.

Nicht mehr zu diesen gehört seit Donnerstag laut Jeannée Landcaptain Platter. Warum? Zwei Tage nach diesem Gestammel ewiger Treue zu Kurz begrüßt der Landcaptain den Rücktritt von Kurz. Das ist eben der Unterschied zwischen den griechischen hoi aristoi und einem tirolerischen Hallodri. (Günter Traxler, 16.10.2021)